Die Leiterin des Diversity & Inclusion Management im Bereich Group Human Resources der Commerzbank AG ließ dieser Tage stolz verlauten: „365 Tage Vielfalt im Jahr ist unser Anspruch und Selbstverständnis.“ Die Bank sieht sich und gibt sich hierzulande als Vorreiterin der Förderung von Vielfalt. Schon seit 2007 ist sie bei der „Charta der Vielfalt“ dabei, einem Verein, der für ein „vorurteilsfreies Arbeitsumfeld“ kämpft. Das Anliegen ist trendy („Diversity rocks“) und obendrein menschenfreundlich („menschenzentriertes Miteinander“). Nur: Die Commerzbank steht inmitten eines historisch einmaligen Abbaus von rund 10 Tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern - nach einer mehr als zehnjährigen geschäftlichen Talfahrt.
Die Commerzbank ist kein untypischer Fall eines DAX-Konzerns. Allianz, Deutsche Bank, Siemens und andere machen es etwas unauffälliger.(1) Großes Aufheben machen dagegen Berater mit Reports zu Gender Diversity, so die Boston Consulting Group, wo es sportiv heißt: „Die Deutsche Telekom ist erneut Diversity Champion. Der Bonner Konzern setzt sich gegen Softwarehersteller SAP … durch“.(2)
Diversity ist multidimensional
Geschlecht, Nationalität, ethnische Herkunft/Zugehörigkeit/Hautfarbe, Religion/Weltanschauung, politische Einstellung, sexuelle Orientierung, Behinderung, Alter, Identität, Familienstand, soziale Herkunft, Bildung, Sprache sind die vielen Seiten der Vielfalt; sie differenzieren und teilen die Belegschaft in Gruppen ein. Weitere Vielfaltskriterien sind körperliche, sportive und geistige Fähigkeiten. Verdeckte Unterschiede sind persönliche Vorlieben, Aspirationen, Perspektiven, Vorurteile. Kurz: eine wahre Differenzierungsfülle.
In der aktuellen Diversity-Diskussion wird dieses multidimensionale Konstrukt auffallend eingeengt. Die derzeitigen aktivistischen Bestrebungen beschränken sich im Wesentlichen auf Geschlecht, sexuelle Orientierung. In den USA, Großbritannien und Frankreich spielt die ethnische Herkunft, Hautfarbe(3) eine bedeutende Rolle. Die Aspekte Alter, Behinderung, Religion, auch Nationalität bzw. Regionalität sind demgegenüber peripher. Der Familienstand (Single, verheiratet, Partnerschaft, Vater/Mutter) hat keine große Bedeutung.
Diversity ist im Grundsatz gut
Vorab anzumerken ist, dass in den letzten zwanzig Jahren zusehends und gezielt gesellschaftspolitische Anliegen an börsennotierte Großunternehmen herangetragen werden. Dieses Ansinnen kam in aller Regel aus den USA und wurde vom US-dominierten Parabusiness (Dienstleister für das Management)(4) und US-Konzernen gefördert. Davor dominierten managementbezogene Initiativen wie Prozessorientierung, Reengineering, Qualitätsmanagement, vor allem der Shareholder Value, der mithilfe von US-Consultants große Verbreitung fand.
Vor gut 20 Jahren richtete sich das Augenmerk vermehrt auf die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility, kurz CSR). Unternehmen sollten über das gesetzliche Maß hinaus ökologische und soziale Belange explizit berücksichtigen, aus Einsicht oder Nachahmung und, wenn dies nicht erfolgt, über staatliche Auflagen erzwungen. CSR war eine in Wort und Tat nicht hinterfragte „gute Sache“. Um die von den Vereinten Nationen initiierte und von der Europäischen Union propagierte CSR-Bewegung wurde es in den letzten Jahren recht still.(5) Woran das lag, ist von den einst glühenden CSR-Vertretern schwer zu erfahren, kann aber einen Hinweis liefern auf das, was mit dem Thema Diversity eintreten dürfte.
Seit etwa zehn Jahren hat sich die Pro-Diversity/D&I(6) -Bewegung in den Vordergrund geschoben. Beweggrund ist wie bei CSR ein denkbar umfassender: Konzerne bzw. große Unternehmen sind gefordert, die Vielfalt der Gesellschaft abzubilden. Die Legitimation der Forderung ist weitreichend. Herangezogen werden die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die Europäische Menschenrechtskonvention, das Grundgesetz, das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG). Besonders die Social Media haben der Diversity-Bewegung Auftrieb gegeben, da entsprechende Kampagnen im Verbund mit Pressure-/ Lobbying-Groups leicht organisierbar und zurückhaltende Unternehmen einfach anklagbar sind. In der Politik formieren sich marktwirtschaftskritische, gesellschaftsideologisch progressive Kreise, die - in einem ersten Schritt Großunternehmen - ein bestimmtes Diversity-Regime gesetzlich vorschreiben wollen.
Als Vorteile von Diversity werden das aufgeschlossene Corporate Image und die bessere Reputation als Arbeitgeber (Employer Branding), eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit, ein besseres Betriebsklima und eine größere Kreativität bzw. Innovation durch gemischte Teams angeführt. Überdies wird ohne ausreichenden Beleg behauptet, dass Diversity sich in einer höheren Profitabilität und mehr Innovation niederschlägt. In den vielen umlaufenden Beiträgen, ob Studien, Befragungen, Firmendarstellungen, wird Diversity ausnahmslos als attraktiv und lukrativ beschrieben. Angefangen bei McKinsey, das eine betonte Pro-Position einnimmt, wie die Überschriften zeigen: „Delivering through diversity“ (Jan 18, 2018); “Diversity wins – How inclusion matters (May 2020), “The business case for inclusion & diversity is stronger than ever.” In den USA wurde mit der einflussreichen Interessensgruppe ‚LeanIn.org: Women in the Workplace‘ (2021) gemeinsame Sache gemacht. Dem steht die Boston Consulting Group (BCG) mit den Beiträgen „Boarding Call: Wie Unternehmen mit Vielfalt den Sprung nach oben schaffen“ und dem BCG Gender Diversity Index (eine jährliche Erhebung der 100 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland) nicht nach. Schwerpunkt aller Beiträge ist der Ruf nach einer wesentlich größeren Geschlechtervielfalt im (Top-) Management. Die gleiche Stoßrichtung verfolgt die AllBright Stiftung (https://www.allbright-stiftung.de/), eine gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Stockholm und Berlin.
Für mehr Diversity engagieren sich auch die Big 4, die vier größten Wirtschaftsprüfungs-gesellschaften in ihrem Beratungsgeschäft. Dahinter steht eine symbiotische Geschäftsentwicklung: Zuerst wird den großen Kunden das D&I-Management beigebracht, dann die Notwendigkeit von Zertifizierungen und ein entsprechendes Reporting gefordert, für das deren Prüfungsabteilungen sich schon rüsten.
Auch hier sind Überschriften der Studien und Aufsätze gute Indizien:
- EY mit „Diversity and inclusiveness means growth“
- Deloitte mit „Diversity, Equity and Inclusion“ und “The Diversity and Inclusion Revolution”(7)
- PwC mit „Diversität sichert die Zukunft von Unternehmen” (2019)
- KPMG mit einem umfänglichen Verweis auf die Kompetenz im Diversity Management.
Auch große Human Resource-Bildungsanbieter wie die AIHR (wwwaikr.com) haben umfangreiche Diversity & Inclusion-Packages im Programm. Zum erwartbaren Nutzen wird v.a. auf eine Harvard Business-Studie Bezug genommen, die Unternehmen mit einer hohen Diversität „19 % higher innovation revenues and 9% higher EBIT margin“ aufweisen.
Die Consultant-Studies dienen selbsterklärend dem Agenda-Setting und der Akquisition von Aufträgen.(8) In der Regel verwenden sie „objektive“ Befragungen, stellen allerlei Korrelationen her, bringen Testimonials prominenter Befürworter im Management und von Vertreterinnen der entsprechenden „Diversities“.
Auf Maß und Mitte kommt es an
Wie bei vielem im Zusammenleben stellt sich nicht die Frage des Ob, sondern unter welchen Umständen etwas geboten und von Vorteil ist. Es gilt klarzustellen: Bei Unternehmen - wie bei allen anderen funktionalen Organisationen - hat der Zweck ausnahmslos an erster Stelle zu stehen.(9) Dessen Erfüllung, nämlich die Erfüllung der Kundenwünsche bzw. die Lösung eines Kundenproblems erfordert die richtige Mischung fachlicher Fähigkeiten. Diese zu einer Gemeinschaftsleistung zusammen zu bringen, ist die zentrale Führungsaufgabe und Maßgabe für die Personalpolitik. In einem marktwirtschaftlichen System ist die Verfügbarkeit an Arbeits- und Fachkräften vorrangig, andere Überlegungen wie Diversity-Aspekte sind nachgeordnet.
Fachliche und Führungseigenschaften können sich dann voll entfalten, wenn sie mit Leistungswillen, Fähigkeit zur Zusammenarbeit, Identifikation mit der Aufgabe verbunden sind - und mit der Unternehmenskultur harmonieren. Zuvorderst geht es um die Einpassung in das Unternehmen. Erst danach erfolgt der mögliche Abgleich mit Absichten und Auflagen, die die Gesellschaft an das Unternehmen richtet; zum Beispiel die Beschäftigungspflicht für behinderte Menschen bzw. deren Ausgleich.(10) Weitere gesellschaftspolitische Anliegen, die dem Unternehmen auferlegt werden sollen, sind auf ihre Zweckmäßigkeit und ihre Berechtigung im Vergleich zu allen sonstigen Ansprüchen zu prüfen. Erst wenn dieses Vorgehen durchlaufen ist, kann festgestellt werden, ob aus welchen Gründen auch immer eine offensichtliche Einseitigkeit vorliegt oder in der Sprache der Gesellschaftstheorie eine Diskriminierung gegeben ist. In Unternehmen soll immer der/die Einzelne zählen, nicht die Gruppenzugehörigkeit.
Auf eine Sorte von Einseitigkeit soll an dieser Stelle noch aufmerksam gemacht werden, nämlich die bei Unternehmen, die sich der Öffentlichkeit als besonders Diversity-affin präsentieren. Das sind die Tech-/ Digitalkonzerne in Silicon Valley mit einem hohen (Single-) Männeranteil, einem geringen Anteil von „Black People“ und Latina/o/s. Ein anderes Beispiel ist McKinsey mit hohem Anteil von Absolventen bestimmter Business Schools (v.a. Harvard Business School) und somit von weißen, jungen, kompetitiven („edgy“) Männern. Mit Nachdruck unterstützen sie „diverse“ Gesellschaften und multikulturelle Netzwerke, selbst sind sie in einem frappanten Maße nicht divers.
Dass fehlende Vielfalt einer Monokultur gleichkommt und ein davon geprägtes Unternehmen in aller Regel änderungsunwillig, unflexibel und anfällig für Risiken, wenig kundengerecht ist, wird allgemein angenommen. Auf der anderen Seite führt jedenfalls große Vielfalt im Verbund mit ungenügender Integration der verschiedenartigen Gruppen in das Unternehmen zu Bindungslosigkeit und in der Folge zu einem Auseinanderdriften. Große Vielfalt stellt sich nicht selten als aufwändig, kompliziert und ineffektiv heraus, weil der Vorteil eines Unternehmens (im Vergleich zum Markt), das sind einfache Kommunikation und kostengünstige Transaktion, nicht mehr gegeben ist. Die jeweils richtige Balance zu finden, insbesondere, wenn Unternehmen sich internationalisieren oder das Geschäftsmodell ändern, ist eine ureigene Führungsaufgabe. Eine Fremdbeeinflussung oder gar -steuerung durch gesellschaftspolitische Kräfte und Interessensgruppen ist nicht im Unternehmensinteresse, seiner Eigner und der anderen Stakeholder.
Diverse Aktivisten am Werke
Neben dem besonderen Engagement des globalen Parabusiness gibt es eine Reihe nationaler und internationaler NGOs, die sich speziellen Diversity-Anliegen verschrieben haben. In Deutschland sind es vor allem solche, die mehr Frauen in Aufsichts- und Vorstandsfunktionen großer Unternehmen sehen wollen; so die Charta der Vielfalt e.V. (https://www.charta-der-vielfalt.de/) mit mehr als 4.000 Unternehmen mit mehr als 14 Mio. Beschäftigten. Eine Folge der Diversity-Bewegung ist die Bildung unternehmensinterner Netzwerke von Gruppierungen wie z. B. ARCO der Commerzbank für sexuelle Orientierung. Als Vielfalt-Unterstützer treten Stiftungen und Vereine auf wie die PROUT AT WORK-Foundation (https://www.proutatwork.de/), die Trainingsprogramme anbieten, Mentorship vermitteln und Events organisieren. In den USA ist die LeanIn-Initiative (https://leanin.org/ ) von Sheryl Sandberg, CEO von Meta/Facebook, ex-McKinsey, hervorzuheben, die sich für Frauen und Minderheiten einsetzt.
Aus Diversity-Engagement von Beratern, NGOs, Lobbyisten, Trainern wurde in den letzten zehn Jahren ein regelrechtes, rasch wachsendes Geschäft. Insider veranschlagen den damit erzielten Umsatz in der angloamerikanischen Welt auf mehrere Milliarden USD.
Erprobtes Vorgehen – starke Publicity
Die Reaktion von DAX-Unternehmen zeigt sich am auffälligsten an zwei Entwicklungen. Das sind einmal die „D&I/DEI“-Abteilungen/Referate, meistens mit einer „multidiversen“ Person bzw. symbolträchtigen Repräsentation an der Spitze. Von außen sichtbare Einflüsse sind gegenderte Veröffentlichungen und Regenbogen/Pride-Aktionen.(11) Zum Anderen: Die Frauenquote im Aufsichtsrat und im Vorstand von DAX-Konzernen.(12) Aktuell liegt der Frauenanteil im Aufsichtsrat bei 34,8 Prozent, beim Vorstand der 40 DAX-Unternehmen bei 18 Prozent (2010: 2 Prozent), bei Führungspositionen insgesamt bei rund 29 Prozent. Von Frauen im Vorstand ist die große Mehrheit für Personal und Administratives (Recht, Compliance, Controlling) verantwortlich. Die Auswirkungen dieser Häufung blieben bislang nicht untersucht.
Wirksamen Druck in Richtung einer höheren Frauenquote üben neuerdings die Investoren BlackRock und State Street aus, die „Nur-Männer“-Konzernleitungen einen Malus verpassen wollen. Auch Goldman Sachs will in die gleiche Richtung agieren. Für eine größere Beteiligung von Frauen treten zudem Business-Medien (mm, XING) und sogar der Deutschlandfunk mit Nachdruck ein.
Diversity – Folgen und Lehren
Bei den eingangs erwähnten Pro-Initiativen (CSR, Umwelt-/Klimaschutz) zeichnen sich deutliche Muster ab. Ein ins Auge Springendes ist, dass betroffene Unternehmen den Anschein erwecken wollen, Diversity eifrig voranzutreiben. Wer will nicht bereitwillig progressiv, liberal, human erscheinen? Das wird mit auffallend vielen Worten und symbolischen Taten exemplifiziert.(13) Ein solches Bemühen wird von den Vertretern als „Diversity washing“ (woke(14), pink, purple, social) kritisiert – naheliegend nicht von den wenigen Privilegierten, die dafür bezahlt werden. Nach der Phase des Aufbruchs und der Anfangsbegeisterung folgt gewöhnlich eine Zeit der Ernüchterung und Enttäuschung. “Real diversity means real change” heißt es schließlich. Gemeint ist ein grundlegender gesellschaftspolitischer Wandel.
An und für sich gutgemeinte Anliegen haben ihre Schattenseiten. Eine ist die Gefahr der Spaltung und Segregation, wenn einflussreiche Diversity-Subgroups eindeutig favorisiert werden. An erster Stelle sind es Frauen im/für den Vorstand. Die große Mehrheit der Frauen, zum Beispiel Kassiererinnen in Einzelhandelsketten, bleibt weitgehend außen vor. Der Betriebsrat als bisheriger Ansprechpartner und Vertreter aller Beschäftigten verliert immer mehr die Zuständigkeit für Diversity-Fragen. Das Aufdrängen eines verwirrenden Gendern verkompliziert Sprache und Kommunikation. Es spaltet die Belegschaft in aufgeweckte (woke), und rückständige Teile.(15) Was übrigens wenig beachtet bleibt, ist, dass die Erhebung von Englisch zur Dominanzsprache diskriminierend wirken kann.
Eine andere Schattenseite ist die Vernachlässigung von Mehrheitsanliegen. Dazu zählt für den Großteil der Beschäftigten die Vereinbarkeit von Beruf und Familie; sie ist zentral für eine Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft mit Blick auf nachfolgende Generationen. Warum wird dieses Thema so peripher, sporadisch, reaktiv behandelt?
In vielen Fällen sind Identitätsfragen eine Privatangelegenheit; sie wird ungefragt von Außenstehenden und von aktivistischen ‚Mitarbeitenden‘ zu einer Unternehmenssache gestempelt, „Betroffene“ werden in benachteiligte Gruppen eingeordnet, zu deren Sachwaltern man sich berufen fühlt. Im Zuge der Individualisierung (und „Versingelung“) mehren sich diejenigen, die auch im Unternehmen ihre „Besonderheit respektiert“ sehen wollen und andere für ihre Benachteiligung verantwortlich machen. Bei einer solchen Konstellation sind Unwohlsein und Unfrieden programmiert, das Betriebsklima gestört.
Nicht übersehen werden darf, dass Diversity bestimmten Gruppen als Legitimation für den Kampf gegen die angestammte Gesellschaft dient. Sachliche Diskussion, pragmagmatische Lösungen sind nicht gefragt. Statt Unterschiede im Interesse von Gesellschaft und Unternehmen einzuebnen, werden durch deren Überbetonung Gräben vertieft. Die Unterstellung von Menschenfeindlichkeit ist ein unlauteres Mittel, Forderungen von scheinbar oder schwach benachteiligten Gruppen Nachdruck zu verleihen.
Auf eine nicht unter Diversity einzuordnende Gruppe von Benachteiligten soll noch hingewiesen werden, auf viele Beschäftigte in „schwierigen“ Branchen (v. a. Logistik, Pflegedienste, Gaststätten). Weil sie keine Vertretung bzw. einen Ausländerstatus haben, werden sie häufig ungleich behandelt, „ausgenutzt“. Die Schlechterstellung ist manifest, wohl, weil es sich um fernstehende, stark abhängige, abgehängte Menschen handelt. Wo bleiben die Sachwalter dieser großen Gruppe?
Festzuhalten ist, dass Unternehmen keine Reparaturbetriebe für gesellschaftliche Defizite sind; sie sind auch nicht Austragungsorte für soziale Differenzierungen. Die Forderung an Unternehmen neben der Erfüllung des Unternehmenszwecks „bestimmt repräsentative, diskriminierungsfreie, tolerante Organisationen“ sein zu sollen/müssen, ist nicht nur überzogen, sondern falsch.
Was ist für Unternehmen bei Diversity geboten
Drei kurze Antworten dazu:
Erstens,
eine verantwortungsvolle Unternehmensführung.
Das bedeutet, dass großer Wert auf betriebliche Gemeinschaft und eine nachhaltige, familien- und generationengerechte Entwicklung gelegt wird. Stets geht es um die Vertiefung von Gemeinsamkeiten, nicht um das Herausheben von Unterschieden. Unternehmen sind keine Ansammlung bzw. Zusammenschlüsse „diverser“ Gruppen und kein Austragungsort gesellschaftlicher Kämpfe. Das Bild vom selbstverantwortlichen Menschen, die Achtung seiner Würde sind und bleiben Ausgangspunkt und Maßstab für die Führung.
Zweitens,
vom Mittelstand lernen.
Diversity ist im Mittelstand kein Thema, weil diesbezüglich pragmatisch-integrativ verfahren wird. Familienfreundlichkeit hat traditionell einen hohen Stellenwert, Töchter sind selbstverständlich in Führungsrollen. Mitarbeiter werden als Menschen gesehen, nicht als „Arbeitsnehmende“ (gegenderte Konzernschreibweise) und Gruppenangehörige.
Drittens,
Soziale Marktwirtschaft impliziert eine pragmatische, integrative Gesellschafts- und Beschäftigungspolitik.
Die dauerhaft angelegte Einbeziehung von Familie, die aufrichtige Pflege von Gemeinschaft sind elementar. Eine Teilung in diverse gesellschaftliche Subgruppen mit besonderen Interessen ist per se nicht sozial.
Verantwortungsvolle Unternehmensführung verlangt an erster Stelle die Erfüllung des Unternehmenszwecks und eine umsichtige Behandlung der ganzen Betriebsgemeinschaft. Das Bevorzugen von Sonderinteressen/-gruppen und das Zulassen offensichtlicher Benachteiligungen sind immer abträglich.
Manfred Hoefle
Dank an Derek J. Brocklehurst und Armin Sorg für Ihre Mitarbeit
Verwandtes
Women Quotas Benefit an Elite – Not you https://managerism.org/topics/companies-and-industries/lesson-no-59
Anhang
Affirmative Studien –Typisch bei Diversity
Bei gesellschaftspolitisch/ideologisch aufgeladenen Themen geht es darum, bestimmte Gruppeninteressen mit Macht „nach vorne“ zu bringen. Im Falle von Diversity führen Aktivisten/“Idealisten“ Behauptungen von der Art ins Treffen: „Wenn Frauen in der Führungsetage dabei sind, steigt der Umsatz.“ (mit dem Hinweis, dass dies angeblich von zahlreichen (nicht benannten) Studien bestätigt wird)(16). Oder: „Mit steigender Frauenquote sinkt die Mitarbeiter-Fluktuation im Unternehmen.“ Und eine beliebte Behauptung: „Kreativität und Innovation eines Unternehmens steigen mit Frauen in der Chefetage.“(17)
Raffinierter gehen es die an, die mit Diversity Geschäft machen wollen. Das sind meist Berater, die die Relevanz des Themas eindrucksvoll herausstreichen und die damit verbundenen Herausforderungen für Unternehmen mit hoher Dringlichkeit versehen, um schließlich die großen Potentiale zu beschreiben und die vielen Vorteile auszubreiten, die mit professioneller Beraterunterstützung gewonnen werden können. Der Geschäftsabsicht wird mit Befragungen, Studien, Schilderungen von Best Practices nachgeholfen.
Ein entsprechendes Beispiel ist der Diversity-Report von McKinsey "Diversity wins – Inclusion matters" (6/2002). Dort heißt es: „Unser Ziel in der Reihe Diversity Matters ist es, den Zusammenhang zwischen der zunehmenden geschlechtsspezifischen und ethnischen Vielfalt in den Top-Teams der Unternehmen und der Geschäftsleitung dieser Unternehmen zu untersuchen.“ In dem Report wird der Zusammenhang von Diversity & Inclusion und Over-Performance zwar nicht belegt, aber als „überzeugend“ und 30-mal als „wahrscheinlich“ dargestellt. Die angewandte Methodik wird so erläutert: „In den vergangenen Jahren waren die Korrelationen zwischen der Geschlechtervielfalt im Vorstand und Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) zwar positiv, aber statistisch nicht signifikant; jetzt sind sie es.“ Was „statistisch signifikant" bedeutet, bleibt McKinsey vorbehalten. Vielfalt im Unternehmen wird absichtsvoll auf „Vielfalt im Vorstand“ beschränkt.
„Nach fünf Jahren der Women in the Workplace-Studie - und einer wachsenden Zahl von Forschungsergebnissen anderer auf dem Gebiet Vielfalt und Inklusion – wissen Unternehmen, was sie tun sollen, um erfolgreich zu sein. Sie kennen die Best Practices. Sie erkennen, wo das Problem in der Talent-Pipeline ist. Und sie verstehen, wie wichtig Chancengleichheit und Fairness für die Mitarbeiter sind."
Auffällig sind die vielen Verweise interessierter Kreise auf den Diversity Report mit der Behauptung, dass zwischen Vielfalt und Unternehmenserfolg ein kausaler Zusammenhang bestehe. Beeindruckend ist, wie affirmative Studien „biased“ Meinungen erzeugen und transportieren. Der Bestätigungsfehler (Confirmation bias) sorgt dafür, dass wir Fakten aussuchen, die unsere Meinung bestätigen, und uns von Fakten, die in eine andere Richtung weisen, nicht umstimmen lassen, sie ignorieren oder nicht nach ihnen suchen. Die Quintessenz: Schein-Evidenz schlägt Realität. Wo bleiben Objektivität und Professionalität?
ANMERKUNGEN
(1) Stellvertretend für die uniforme Außendarstellung sei die Allianz angeführt: „Seit vielen Jahren bieten wir unseren Mitarbeitenden eine Plattform, um ihre Stimme einzubringen: unsere Mitarbeiternetzwerke. Nachdem wir uns zunächst auf die Themen Gender und LGBTIQ+ konzentriert haben, sehen wir, dass sich immer mehr Mitarbeitende für die Inklusion im Bereich Behinderung, Generationen und Ethnien einsetzen. Unsere Bemühungen und Ergebnisse werden gesehen und belohnt. Für Sichtbarkeit zu speziellen Anlässen nutzen wir die Beleuchtung der Allianz Arena, sei es in Regenbogenfarben zum Pride Month (Juni) oder anlässlich des Tages der Menschen mit Behinderung (03.12.) in #purplelightup."
(2) BCG Gender Diversity Index 2021 (Key Insights, Dezember 2021)
(3) In den USA heißt die PoC-Bewegung (People of Color) BPoC (Black & People of Color), um die wichtigste Gruppe zu benennen. Die vielen anderen, wenigen geläufigen Abkürzungen sind ein Merkmal von Diversity-Aktivismus.
(4) Siehe dazu: Denkschrift Nr. 23 Parabusiness - Die Vorherrschaft der USA
(5) An einer Reihe von Hochschulen wurden Lehrstühle für CSR eingerichtet und eine umfangreiche Literatur, einschließlich Handbücher, aufgelegt.
(6) In den USA ist DEI üblich (Diversity, Equity, Inclusion), von Jordan Peterson abwertend zu „DIE“ gemacht: https://www.jordanbpeterson.com/podcast/d-i-e-must-die/
(7) In dem 2018-Report berichtete Deloitte, dass Unternehmen/Organisationen „with inclusive cultures were, among other things, six times more likely to be innovative and agile.”
(8) Das vehemente Eintreten von Beratungsunternehmen für eine Frauenquote im Aufsichtsrat und Vorstand legt die Frage nahe, ob damit nicht ein großes Eigeninteresse verbunden ist.
(9) In den Worten des großen Managementlehrers Peter Drucker: „…. start with its purpose to create a customer.“ (Management -Tasks, Responsibilities, Practices).
Diese Auflage für Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeiter hat das Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und die Europäische Antidiskriminierungs-Richtlinie von 2001 als Grundlage.
(11) Die Commerzbank färbte das Firmenlogo in Regenbogen-Facon; Beteiligung der Ex-„Personalvorständin“ Janina Kugel von Siemens bei der Christopher Street Day-Parade in Berlin.
(12) Die seit 2015 gesetzt verpflichtend vorgegebene Quote von 30 Prozent gilt für 108 börsennotierte und voll mitbestimmungspflichtige Unternehmen. Eine Frauenquote für Vorstände ist seit 2021 in Kraft (Zweites Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II). Es verlangt, dass bei einer Unternehmensleitung mit mehr als drei Mitgliedern mindestens eine Frau beteiligt sein muss. Bemerkenswert ist, dass im Jahr 2021 die Hälfte der neu berufenen DAX-Vorstände Frauen waren. Einen besonders hohen Frauenanteil haben FMC, Conti, Siemens-Healthineers mit 40 Prozent.
(13) Im Rückblick auf die CSR-Initiative: VW und die Deutsche Bank überboten sich mit maximal großen Glanzbroschüren-Reports. Beim „Green-Washing“ fiel GE auf: Obwohl der „Green“-Anteil erheblich unter dem von Siemens lag, wurde stolz auf die GE-Ecoimagination verwiesen.
(14) Allgemein: wach, achtsam und engagiert vor allem gegenüber rassistischer, sexistischer, sozialer Diskriminierung. Pink Washing bedeutet die Solidarisierung mit der LGBT-Community aus Marketinggründen, Purple Washing bezieht sich auf die feministische Variante, die auch noch Islamophobie und andere Diskriminierungen entschuldigen will. Es handelt sich insgesamt um eine uneindeutige Verbalisierung von Vorwürfen an die Adresse von Unternehmen/Organisationen.
(15) Skurril mutet das „Gendergebot“ an, bei Unsicherheit vorab abzufragen, wie jemand angesprochen/angeschrieben werden will.
(16) Zum Beispiel konnte/wollte der Autor des bei XING erschienen Beitrages „Warum wir mehr Frauen in den Chefetagen brauchen“ keine Quellen für seine Behauptungen nennen.
(17) Widersprüchlich erscheint, dass Kapitalismus-kritische Aktivisten für ihr Diversity-Anliegen ausgerechnet „Studien“ von McKinsey zur Bestärkung ihrer Haltung heranziehen.