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Managerismus
Denkschrift Nr. 43
03.04.2021

Angemessene Vergütung statt Mega-Anreize

von Manfred Hoefle

 

 

Abkehr von überdimensionierter Top-Management Incentivierung überfällig

Auf der Promenade, die zur imposanten City Hall von San Francisco führt, wirken die Zeltbehausungen für Obdachlose von weitem pittoresk. Die Stadt, in der die meisten Tech-Milliardäre wohnen, hat vor Kurzem im Alleingang das Budget für Soziales geringfügig aufgebessert, mit einer geringfügigen Steuer für Top-Manager.(1) Deren Einkommenshöhen sind wahrlich gigantisch. Der CEO von Apple Tim Cook erhält das 2.300-Fache des Median-Verdienstes eines an und für sich nicht schlecht bezahlten Apple-Angestellten, Sundar Pichai von Alphabet/Google das 350-Fache und der CEO von Tesla, Elon Musk, das 10.000-Fache in ihren Unternehmen.(2) Diese Relationen - man muss sie Exzesse nennen - haben zum Einen mit dem boomenden Digital-/Tech-Sektor zu tun; zum Anderen basieren sie auf einer Logik, die sich vor rund 50 Jahren durchzusetzen begann: die ungenierte Vorteilsnahme durch die mit Abstand mächtigste Gruppe in der Wirtschaft, das Top-Management.

Richtungsweisender Aufsatz

Die Principal-Agent-Theorie wurde 1976 von den Finanzprofessoren Michael Jensen und William Meckling vorgelegt. Der in einer Finanz-Zeitschrift erschienene Beitrag wurde das meistzitierte Business Journal Paper.(3) Die Grundthese ist einfach und einleuchtend: An der Wertsteigerung des Unternehmens an der Börse, später verkürzt als Shareholder Value bezeichnet(4), soll das Management maßgeblich teilhaben. Die Theorie knüpft an die Konzeption des Unternehmens als Knoten vertraglicher Beziehungen zu den Aktionären. Danach besteht die Verantwortung des Unternehmens allein darin, den Aktienwert kurzfristig zu maximieren. Für diese Leistung erhält das Management als Eigentümervertreter Aktienoptionen, um eine möglichst große Deckungsgleichheit mit dem Aktionärsinteresse sicherzustellen. Diese Form der Teilhabe an der Kapitalisierung von Unternehmen wurde nach 1993 durch die steuerliche Abzugsfähigkeit der Aktienoptionen in den USA ermöglicht.

Die Theorie stand in der Fortsetzung des Diktums von Milton Friedman, des bekanntesten Vertreters der ‚Chicago School‘ vor 50 Jahren(5): „Die soziale Aufgabe, eines Unternehmens, ist es, Gewinne zu machen. Je höher der Gewinn ist, desto sozialer, verhält sich der Unternehmer.“

Das Management erkannte in dieser Zeit die große Chance, seine starke Macht in eine höhere Vergütung umzumünzen, zumal bei typisch atomistischen Eigentumsstrukturen. Bei Konzernen setzt sich nämlich der Aktionärskreis (mit Ausnahme einiger Digitalunternehmen: Amazon, Facebook) zum größten Teil aus Fondsverwaltungen (Pensionsfonds) zusammen, die nur jeweils einige wenige Prozent des Aktienkapitals vertreten, das wiederum auf jeweils viele tausende Einzelaktionäre entfällt.(6) Das Management von Fonds hat das gleiche, nicht selten sogar ein übersteigertes Interesse wie das Management - und ist hohen Vergütungen sehr zugeneigt.

Eine einseitige Theorie wird Praxis

Kurz zu den Verhältnissen in den USA: Die goldenen 1950/60-er Jahre mit hohen Wachstumsraten und sich verbreiterndem Wohlstand verliefen sich. Noch bis zu den 70er-Jahre kam es aufgrund der noch starken Gewerkschaften zu regelmäßigen Lohnsteigerungen. Danach begann der Abbau des Mittelmanagements, Betriebsgemeinschaften lösten sich mehr und mehr auf. Die Middle Class verlor an Status, die Individualisierung drang auf breiter Ebene vor, was mit einem Verlust des „Wir“ einherging und zu einer großen Zahl von Abgehängten („Deplorables“) in den ehemaligen Industrieregionen führte. Diese Zeit kann als eine zunehmend abschöpfende, gesellschaftsspaltende gekennzeichnet werden- im Unterschied zu der gemeinschaftlichen, bürgerlichen davor.

CEO’s erfuhren und verschafften sich mit Nachdruck eine anhaltende Aufwertung; immer seltener waren sie Servant Leaders, getreue Verwalter. Das Gruppenbewusstsein als Business Elite wuchs. Berater halfen dem Top-Management bei der Anhebung von Status, Image und damit verbunden von Vergütung. So bediente Arch Patton, Senior Partner von McKinsey die einstmals renommierte Luftfahrtgesellschaft PanAm mit einer Stock-Options Konstruktion, die dem Top-Management ein bedeutend höheres Einkommen zuschanzte. Überhaupt war McKinsey der Impulsgeber für eine Trendwende in der Vergütung des Managements, was sich bei der Gewinnung von Klienten auszahlte. Später kamen Executive Compensation-Boutiquen auf, von denen einige zu heute weltweit tätigen Management-Service Anbietern fusionierten.(7) Dieses zum Teil parasitäre Beratungssegment hat seitdem Dauerkonjunktur.

Denn im Zuge der ab den 1980er-Jahren stark zugenommenen Umstrukturierungen, Käufe und Verkäufe von Unternehmen/-steilen wurden Top-Managementpositionen häufig nicht mehr aus eigenen Reihen besetzt. Die Suche nach den „Stars“ auf dem Executive-Markt wurde immer mehr zur Regel. Eine Folge war das Hinauf-Verhandeln von Vergütungen zu umfangreichen, komplexen Pay Packages. Nebenbei: Im Zuge von Firmenkäufen in den USA durch deutsche Konzerne schwappte das dortige Niveau auf Deutschland über.(8)

Generell kam es zu einer Beschleunigung der Geschäftsabläufe, hauptsächlich auf Druck des Kapitalmarktes. Quartalsergebnisse erhielten auffallend große Beachtung, sie wurden zum Gradmesser der Leistung des Managements.(9) Die Verweildauer von CEO‘s wurde kürzer, die Dauer der Betriebszugehörigkeit nahm zusehends ab. In der Finanzbranche wurden bisweilen ganze Teams abgeworben. Auch die Haltezeiten von Aktien verringerten sich; sie wurden mehr und mehr zum Spekulationspapier und anonymen Dividendenschein.

Die starke Verbreitung der Business Schools brachte eine Verschiebung in der Zusammensetzung des Managements mit. MBA’s wurden viel zahlreicher, die Zahl der Engineers nahm ab und damit die mit ihnen verbundenen Funktionen im Unternehmen, nämlich Entwicklung und Produktion. Die Innovationsdynamik ließ in vielen Branchen nach, Produktionen wanderten im Rahmen von Outsourcing-Projekten ins Ausland ab.

Der Para-Business-Sektor, das sind Investmentbanker, Fachanwälte, Auditoren und Berater dehnte sich ständig aus. Interne Dienstleister und Stäbe in den Unternehmen schrumpften dagegen. In zunehmendem Maße wurden Spezialisten von extern zu allen möglichen Managementproblemen beigezogen, in auffallendem Maße für Strategiefragen. Professionalität wurde großgeschrieben und in wachsendem Umfang eingekauft.

Vor allem in den USA machte sich die Vorstellung von einer Leistungsgesellschaft breit, nach der bei genügend Anstrengung und Smartness jeder reüssieren kann. Erfolg wurde mit Verdienst - im doppelten Wortsinn - gleichgesetzt. Die meritokratische Einstellung wurde bei vielen Großunternehmen auf exaltierte Weise gepflegt; sie führte zu ungebremstem Anspruchsdenken und in dessen Folge zu Überheblichkeit gegenüber denen, die es nicht so weit brachten. Kurz: Unternehmenswelt und gesellschaftliche Veränderungen bewegten sich auf eine herausgehobene Rolle des Top-Managements zu, die durch stark steigende, vom Kapitalmarkt gedeckte Vergütungen unterstrichen wurde.

Incentivierung – ein scheinrationales Konzept

Zum ersten Mal wurde „incentivize“ in den 1960er-Jahren verwendet im Sinne von to make someone want to do something. In den 1980er-Jahren wurde Incentivierung als Anreizmethode für das Management normal. Nebenbei: Das damit vergleichbare Akkordsystem, der Stücklohn für Arbeiter, wurde spätestens in den 1970er-Jahren zum Auslaufmodell, weil die Nachteile für die Betriebsgemeinschaft die Vorteile des Leistungsanreizes für den einzelnen Arbeiter überwogen. Die Analogie zum Management besteht darin, dass bei Erreichen eines bestimmten Geschäftszieles ohne Verzug ein vorher bemessener Bonus/Prämie fällig wird. Typisch für die Incentivierung ist die finanzielle Eindimensionalität (Gewinn pro Aktie, Wertsteigerung). die Kurzfristigkeit (Jahresergebnis) und die Fälligkeit bei relativ bescheidenen Zielen (Hurdle Rates). Maßgebend ist ein vom Top-Management empfohlenes und vom Vorstand/Board gebilligtes, kompliziertes Rechenschema, das ein schlüssiges, zuteilungsgerechtes Verfahren suggeriert.(10) Die (ver)komplizierte Materie wird üblicherweise in engstem Kreise (Präsidial-/Vergütungsausschuss) abgehandelt.

Mit der Incentivierung wird die Illusion erzeugt, dass die daraus folgende Vergütung „verdient“ ist, dem Betreffenden sogar moralisch zusteht. Die Differenzierung nach Einflüssen, die von einem günstigen Marktumfeld herrühren und solchen, die eigener Leistung zugerechnet werden können, wird selten gemacht. Wie eine Reihe von Verfehlungen der jüngeren Vergangenheit in den USA – aber nicht nur dort – nahelegt, bergen Incentivierung-Systeme erhebliche Gefahren der Manipulation von Geschäftsergebnissen. Die meisten Incentive-Systeme erfordern einen hohen Aufwand zu ihrer Pflege und Anwendung. Dazu und zu ihrem Design werden besagte international tätige Management Service Companies beigezogen. Über den tatsächlichen Aufwand mangelt es an Transparenz. Eine gute Vorstellung von der Komplexität der Managementvergütung vermitteln die auf zehn und mehr Seiten angewachsenen, sich in Vielem ähnelnden Vergütungsberichte.(11)

Incentivierung und Haftungsübernahme stehen in einem asymmetrischen Verhältnis. CEOs sind nämlich angestellte Unternehmensleiter auf Zeit mit Anspruch auf angemessene Vergütung; sie sind nicht Anspruchsberechtigte auf eine außerordentliche Vergütung bei weitestgehendem Haftungsausschluss. Die Haftung des Managements wird ohnehin durch eine umfassende, von den Unternehmen bezahlte Haftpflichtversicherung (D&O) ausbedungen. Die Im Zuge der Sarbanes-Oxley-Reform von 2002 eingeführte „Clawback“-Provision (Rückforderungsvereinbarung) für fehlerhafte Bilanzierung wurde in jüngster Zeit auf weitere Tatbestände von Fehlverhalten ausgedehnt, erhielt abgesehen von einigen Fällen keine durchgreifende Wirkung.(12) Die Formel ‚maximale Vergütung bei minimalem Risiko‘, ist der unverkennbare Ausweis von Selbstprivilegierung.

Höhe der Vergütung – fragwürdiger gesellschaftlicher Maßstab

In den USA ist die Höhe des Einkommens erstrangiges Statussymbol. Ständiges Vergleichen von Einkommen ist gesellschaftsüblich. Top-Earners Ranking in den Business Media ist ein jährliches Ritual, das dazu beiträgt, den Aufwärtssog von Top-Managern aufrecht zu halten.

Vergütung drückt die Werte des Top-Managements und den eigenen „Wert“ im Management aus. Wenn soziale Zugehörigkeit und Anerkennung gemeinsamer Leistung wichtig sind, hat das Einfluss auf die Entlohnung/Vergütung in Unternehmen, zwischen Unternehmen und Branchen. Bei dem vorherrschenden Individualismus ist eigennütziges Verhalten Standard. Große Einkommensunterschiede bilden die Regel.(13) Die The winner takes it all ist Ausdruck einer auf die Spitze getriebenen, nach aller Erfahrung falschen und gemeinschaftsschädlichen Haltung. Allgemein ist die Höhe der Vergütung ein gutes Abbild der Wertewelt einer Gesellschaft.

Eine kurze Verweildauer von CEOs - abhängig vom Land und der Zeit liegt sie zwischen fünf und sieben Jahren – verführt zum Bestreben, in möglichst kurzer Zeit ausgesorgt zu haben. Manager werden dadurch veranlasst, entweder risikoavers zu sein - oder in Erwartung hoher Boni alles auf eine Karte zu setzen: vorzugsweise Personalabbau, M&A, Outsourcing, Asset-light-Programme und Structured Finance Konstruktionen.

Managerismus als treibende Kraft

Mit der Lösung des Agency Problems erhielt das Management die Legitimation für kurzfristiges, kapitalmarkt-fixiertes, eigensüchtiges Handeln. Der Bazillus Incentivierung lag schon lange in der Luft, endemisch wurde er durch die enge Verknüpfung mit der vom Kapitalmarkt oktroyierten Quartalssicht. Das Amalgam von Interessen des Managements, des Parabusiness, von Business Media, Business Schools und großer Teile der Politik tat ein Übriges.

Der Schaden aus der toxischen Verbindung von Incentivierung und Kurzfristigkeit ist mit Sicherheit immens. Man braucht nur die abnehmende Zahl motivierter Mitarbeiter auf der einen Seite in Rechnung stellen - im Vergleich zu dem Vorteil, den zu Höchstleistungen getriebene Manager angeblich bringen. Dass gutes Management ohnehin nichts mit übersteigerter Betriebsamkeit zu tun hat, steht auf einem anderen Blatt. Soweit wir es wissen – wurde diesem Trade-off in den Sozialwissenschaften aus nachvollziehbaren Gründen kaum nachgegangen. Auf der anderen Seite gibt es eingehende psychologische Studien, die nachweisen, dass die Wirkung von Incentivierung nur eine vorübergehende ist. Danach sind immer höhere Boni-Dosen notwendig, um angeblich Motivation und Zielausrichtung von Managern zu halten. Dieser Effekt wird als Manager’s Heroin bezeichnet. Der Versuchung durch Boni und Optionen widerstehen sogar innengeleitete , intrinsisch motivierte Manager nicht auf Dauer.

Auf die Spitze getrieben wurde die Vergütung im Transaktionsgeschäft, dort wo es um Kauf und Verkauf von Unternehmen bzw. Anteilen geht. Die Handelnden sind aktivistische CEOs, Private Equity-Player, Hedgefonds bzw. Activist Investors. Nach deren Verständnis sind Unternehmen Handelsobjekte, die es zu optimieren (zerschlagen/fusionieren) gilt, nicht Subjekte der Wertschöpfung. Das M&A-Geschäft ist für die Betreiber einschließlich Top-Management äußerst lukrativ. Unternehmerischer Sachverstand und Rücksicht auf Stakeholder stehen nicht im Mittelpunkt.

Gewachsene Verhältnislosigkeit

Ein guter Gradmesser der Einkommensungleichheit in einem Unternehmen ist - zu Beginn an krassen Einzelfällen gezeigt - der Abstand zwischen dem Lohn an der Basis und der Vergütung des Unternehmensleiters/CEO. In den USA betrug dieses Verhältnis 1970 1:21. Damals wurde diese Relation für „about right” gehalten. In absoluten Beträgen verdiente ein Big Boss rund 200.000 USD vor Steuern. Solch bescheidene Summen sind längst vergessen.

Der Gegensatz zu damals könnte kaum größer sein: Heute bezieht ein US-CEO ein durchschnittliches Grundeinkommen von 1,3 Mio. USD. Das Gesamteinkommen liegt bei rund 20 Mio. USD.(14) Seit 1978 stieg die Vergütung eines CEO im Durchschnitt um 940 Prozent, der Lohn eines Arbeiters um 12 Prozent. Die sogenannte CEO to Worker Pay Ratio (der Unterschied von Basis zur Spitze) betrug 1982: 42, 1989: 71, 1992: 201, 2002: 281, 2012: 354, 2019: 320.(15) Aufschlussreich ist auch der Vergleich mit anderen Spitzenverdienern unter den Gehaltsempfängern: Danach kassieren CEOs das 6-Fache dessen, was die 0,1%, die absolute Spitze aller Gehaltsempfänger erhält. Neben den üppigen Vergütungen erreichten Abfindungen und Pensionspakete zum Teil exorbitante Höhen: Bei den Langzeit-CEOs von GE und Exxon summierten sie sich auf 400 Mio. USD.

Eine eigensüchtige Klasse

Bei der Erörterung von Managementvergütung und Incentivierung muss man sich die Größe der Gruppe vor Augen führen, die in den Genuss solcher Einkommen kommt. Die Zahl in den USA wird mit 2000 angenommen, in Deutschland beträgt sie bei gleichem Maßstab etwa 500. Der Aufmerksamkeitswert von Spitzengehältern ist bekanntlich ein außerordentlich großer. Denn Spitzenvergütungen berühren das Gerechtigkeitsgefühl in Unternehmen und sensibilisieren breite Kreise der Gesellschaft. Beleg sind die Empörungswellen vor allem in Deutschland bei Bekanntwerden ungerechtfertigt empfundener Managerbezüge, vor allem bei Abfindung erfolgloser oder nur kurzzeitig tätig gewordener Top-Manager.(16)

In den letzten 30-40 Jahren erfuhr die früher verhältnismäßig ausgewogene Vergütungsstruktur eine starke Spreizung nach Branchen. Zu den Gewinnern zählen bzw. haben sich vor allem dazu gemacht: Medienunternehmen und die Unterhaltungsbranche, die Finanzwirtschaft, die Pharmabranche. Sonderfall ist der High Tech-Sektor mit den Internetgiganten (GAFA: Google, Apple Facebook, Amazon und Microsoft). Demgegenüber wurde die Realwirtschaft zum Stiefkind des Kapitalmarktes.

Auffällig ist der große Unterschied zwischen Ländern: In kohärenten, egalitären Gesellschaften, das sind vor allem die skandinavischen, bewegen sich CEO-Einkommen bei dem maximal 50-Fachen eines durchschnittlichen Angestellten und liegen zum Teil bei einem Fünftel eines US-CEO vergleichbarer Unternehmen. Unternehmensleiter genießen hohes Ansehen und sind gut in die Gesellschaft integriert. In kollektiven und/oder konfuzianisch geprägten Gesellschaften, namentlich in Japan, sind die Abstände mit dem Faktor 20 (1980 noch bei 10) zur Basis noch geringer.

Wirkungslose Kritik an Top-Managementvergütung

In Management, Tasks, Responsibilities, Practices hat Peter Drucker bereits 1973 auf die Problematik hoher Managerbezüge aufmerksam gemacht. Später kritisierte er insbesondere amerikanische Manager, die bezogen auf ihre Vergütungen das wesentlich Gebot des Nichtschaden-zufügens missachteten.(17-18) Seiner Meinung nach tragen Manager in einer pluralistischen Gesellschaft eine besondere Verantwortung für das Gemeinwohl, sie sind bezogen auf ethische Belange öffentliche Personen. Anstößig waren frühe Fälle von Entgeltsteigerungen für das Top-Management bei gleichzeitig massivem Personalabbau. Hoffnungen von damals, dass überzogene Vergütungen über Besteuerung oder Festlegung von Bandbreiten zur Basis der Belegschaft korrigiert würden, wurden durch den ab den 1980er-Jahren mit dem Börsenboom einsetzenden rasanten Anstieg betrogen.

Neben der Kritik der fehlenden (sozialen) Verhältnismäßigkeit und Verträglichkeit wurde die gängige Behauptung in Zweifel gezogen und in Teilen widerlegt, dass zwischen Leistung und Vergütung ein klarer empirischer Zusammenhang besteht.(19) Alan G. Lafley, langjähriger CEO von Procter & Gamble, Scholar von Peter Drucker drückte den Unterschied zu früher so aus: ”In fact I had no employment contract, no severance, no change-in-control payments, no gross ups, no pension (beyond stock from a modest profit-sharing trust that all P&G employees participate in), and no supplemental retirement plan, and 90% of my pay was at risk in the form of restricted stock and stock options.” Sogar der Incentive-Proponent Michael Jensen gestand ein echtes Problem mit den Managemententgelten ein. (20)

Die geläufigen Argumente für eine incentivierte Vergütung haben kaum Bestand. Die kurzfristig zielabhängige Incentivierung führt zur Vernachlässigung anderer, langfristig wichtiger Ziele. Die Verkomplizierung macht sie zum Betätigungsfeld weniger Spezialisten und die detaillierte Veröffentlichung liefert Argumente für weitere Erhöhungen. Als überflüssig können die ständigen Veränderungen zählen, die zum Abstimmungspunkt von Hauptversammlungen werden. (21)

Bei der Inflation von Studien, Nachrichten, Stellungnahmen zu Managementvergütung – kein anderes Managerthema verzeichnete in den letzten 20 Jahren mehr Aufmerksamkeit – waren solche in der Überzahl, die sich in Rechtfertigung versuchten und mit viel Statistik operierten. Argumente gegen überhöhe Managementbezüge wurden in Corporate Governance-Kreisen wenig gewürdigt. Faktische Interessen waren stets stärker. Die Politik besonders in den USA, aber auch in Deutschland nahm einen Laissez-faire-Standpunkt ein. Ein paar kleine Anpassungen gab es: zum Beispiel die Regelung des „Say on Pay“ des Shareholder’s Meeting, bzw. in Deutschland die Zustimmungspflicht der Hauptversammlung zur Vorstandsvergütung.(22) Die Wirtschaftsverbände hielten sich meist bedeckt oder traten für eine Nichteinmischung der Nicht-Eigentümer, sprich der anderen Stakeholder und Politik, ein.

Notwendige Wende

Vorschläge zum Einbremsen der Vergütungen gab es immer wieder, meist als Reaktion auf bekannt gewordene Exzesse. Die Vergütungen stiegen trotzdem unentwegt. Mitgeholfen haben Compensation Specialists, die Medien machten mit und die Aufsichtsräte winkten die Vorlagen ab. Kritikern bleibt die Aussicht, dass die Verhältnisse noch stärker aus dem Lot geraten müssen, damit sich grundlegend was ändert.

Optimisten erhoffen, dass das System allmählich in Richtung langfristiger Belohnung umgestellt werden kann. Erste Voraussetzung ist: Der Unternehmenszweck muss wieder im Zentrum stehen. Dem Management erwächst daraus der Auftrag, dem Unternehmen zu dienen, es werthaltig zu machen bzw. zu erhalten und die Stakeholder in angemessenem Maße zu berücksichtigen. Gefragt ist eine unternehmerische, auf Kunden und Mitarbeiter gerichtete Einstellung. Die enge Außensteuerung durch den Kapitalmarkt muss abgebaut werden und mit ihr die unheilvolle Incentivierung, einschließlich der seit Langem kritisierten Quartalsberichterstattung.

Wiedereinsetzen von langfristiger Vergütung

CEOs sollen motiviert sein, „ihr“ Unternehmen in die Zukunft zu führen und es möglichst in einem besseren Zustand – nicht unbedingt größer – an die Nachfolgenden zu übergeben. Eine gute Erfüllung dieses Auftrags soll/kann belohnt werden, wenn sie wahrnehmbar und über einen angemessenen Zeitraum Bestand hat. Angemessen heißt zusätzlich zur normalen Vergütung mit einem Aufschlag um maximal 30 Prozent. Zur Erinnerung: Das gängige Muster ist ein relativ geringes Grundgehalt und ein unverhältnismäßig hoher variabler Anteil von mehr als dem Fünffachen des Basisgehaltes.

Dem Prinzip der Belohnung liegt ein positives Menschenbild zugrunde. Menschen in Unternehmen der freien Wirtschaft wollen arbeiten und gestalten, als Mitglied einer Gemeinschaft gesehen werden, die einen nützlichen Auftrag erfüllt. Das trifft für alle Mitarbeiter zu, Unternehmensleiter eingeschlossen. Denn wenige haben es nur aufs „Geld abgesehen“.

Vorteile von Belohnung sind:

- leistungsbezogen umfassend, nicht einseitig finanziell
- nachhaltig erst nach Nachweis der Leistung gewährt
- einfach als Gesamtpaket und nicht als Summe von Komponenten
- schwer manipulierbar kein Rechenschema, sondern ein Gesamturteil
- effizient keine umfangreiche Administration notwendig
- akzeptiert Gerechtigkeitsempfinden besser erfüllt

Die Umstellung auf Belohnung bedeutet eine Rückverlagerung der Leistungsbeurteilung auf die dafür Verantwortlichen: Aufsichtsrat bzw. Vergütungsausschuss für den Vorstand und dieser für die nächste Ebene. Die Einzelbeurteilung soll im Interesse der Unternehmensgemeinschaft wegfallen. Denn es geht im Wesentlichen nur um die Festlegung der Höhe der Ausschüttung - ähnlich wie bei der Dividende für die Aktionäre - und Differenzierung nach wenigen Gruppen von Managern und Mitarbeitern.(23) Davon unbenommen sind Belohnungen für außerordentliche Leistungen Einzelner bzw. von Gruppen wie Projekt-/Innovationsprämien.

Das Grundgehalt ist die Entlohnung für den erwartbaren Einsatz, die gute Ausführung des Auftrags. Bei einem guten Unternehmensergebnis soll eine Belohnung, ein Bonus (jährlich oder mehrjährig) als Barzahlung oder in Aktien gewährt werden. Der (Erfolgs-)Bonus soll allen Unternehmensangehörigen zugutekommen, abgestuft nach Verantwortungsumfang und ggfs. Dauer der Betriebszugehörigkeit. Als Richtschnur für die Verhältnismäßigkeit kann gelten: Abstände von nicht mehr als 30 Prozent. Eine maßvolle Relationierung unterstützt den Gemeinschaftscharakter eines Unternehmens und trägt zu seiner Langlebigkeit bei.

Eine starke Differenzierung dagegen erzeugt häufig das Gefühl von Ungerechtigkeit und ist der Zusammenarbeit abträglich. Nicht vertretbar ist die weit verbreitete Praxis, dem CEO das Doppelte an Vergütung zu geben, die andere Mitgliedern des Vorstandes erhalten; im Übrigen steht es nicht im Einklang mit dem Kollegialitätsprinzip der (deutschen) Aktiengesellschaft.(24)

Notwendige Maßnahmen

Weil Aufsichtsorgane und Top-Management sich in einer Insidergemeinschaft recht auskömmlich eingerichtet haben – in Deutschland zudem im Einvernehmen mit der Paritätischen Mitbestimmung(25), ist der Reformwille bei der Vorstandsvergütung ausgesprochen schwach. Lediglich den Anschein von Veränderung wahrende Anpassungen und eng begrenzte Korrekturen wurden vorgenommen. (26) Die Selbstverpflichtung im Deutsche Corporate Governance Kodex blieb ein schlecht eingelöstes Versprechen. Anstoß zu großen Lösungen kann wohl nur von dritter Seite kommen: von regierenden Parteien, und das ist nur dann zu erwarten, wenn er massivem öffentlichem Druck ausgesetzt ist.

Worin muss die Lösung bestehen?

Wohlstand wird nur durch Wertschöpfung geschaffen, die das Gemeinwohl fördert. Kurzfristige Kapitalgewinne, an denen wenige partizipieren, Geschäfte um der Geschäfte willen sind gemeinschaftsschädlich. Gemeint ist die Nutzlosigkeit von Teilen des Finanzsektors und der Plattformökonomie, die sich der Realwirtschaft bemächtigt haben. Die Wiederaufwertung der Realwirtschaft, der Gütererzeugung und der Bereitstellung lebenswichtiger und gesellschaftsfördernder Dienstleistungen. Systemrelevanz bzw. gesellschaftliche Unverzichtbarkeit muss in einem breiten Konsens neu ausgehandelt werden.

Wie sollte eine umfassende, über die Vorstandsvergütung hinausgehende Lösung gefunden werden?

Erstens, durch adäquate Besteuerung

Gewinne aus Kapitaleinkommen unterliegen in der Regel niedrigeren Steuersätzen als normales Arbeits- und Gewerbeeinkommen. Außerdem sind große Kapitalgewinne leicht in steuergünstigere Länder und Offshore-Finanzzentren transferierbar. Die notorische Nieder-bzw. Nichtbesteuerung internationaler Kapitalgesellschaften, insbesondere von Finanzinstituten und Internet-Mediären(27) ist ein Dauerärgernis; sie beschädigt die für eine Gemeinschaft wichtigen Mittel- und Kleinstrukturen. Unverzichtbar ist eine spürbare Transaktionssteuer auf schnelle Umschichtungen von Vermögenstiteln; sie ist seit mehr als zehn Jahren in Diskussion und nicht mal in Teilen und in wenigen Ländern umgesetzt. Boni und Aktienoptionen für das Top-Management sind einzuschränken und steuerlich schlechter zu stellen. Die Abzugsfähigkeit von Leistungen an das Top-Management, wie die D&A-Versicherung sollte abgeschafft, der Eigenanteil heraufgesetzt werden, um ein Minimum an Haftung zu belassen.

Zweitens, durch Regulierung

Dem Grundübel Kurzfristigkeit ist mit einer Entschleunigung vor allem der Nominal- und Digitalwirtschaft zu begegnen. Das beginnt mit einer weitgehenden Unterbindung von Hochfrequenz-Geschäftsmodellen. Die immer wieder zu Recht kritisierte Ausrichtung des Kapitalmarktes an Quartalen, die Quartalsberichterstattung sollte weitgehend ausgesetzt werden. Erfahrungen zeigen allerdings, dass ein freiwilliger Verzicht einzelner Unternehmen dem Druck von Analysten, Händlern, Wirtschaftsprüfern nicht standhält.

Notwendig ist eine Begrenzung des Parabusiness, insbesondere durch die Unternehmen selbst. Das betrifft Großorganisationen der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Zertifizierung. Diese expandierten in nicht unwesentlichem Maße dank selbstinduzierter Komplexität. Auch dieser Sektor (einschließlich Beratung) ist schon seit Längerem „durch-incentiviert“.

Erschwert werden sollten die in jüngerer Vergangenheit vermehrten Aktienrückkäufe, weil sie primär der Kurspflege dienen und somit der Managementvergütung. Die Haftung des Managements für Fehlverhalten ist auszudehnen und mit tatsächlichen Rückforderungen zu versehen.

Drittens, durch eine wirksame Unternehmensaufsicht

Der Aufsichtsrat hat den klaren Auftrag, auf den Interessensausgleich zum Wohle des Unternehmens zu achten. Deshalb sind Übervorteilungen Einzelner und bestimmter Gruppen zu vermeiden. Das sollte eine Vorgabe des Corporate Governance Kodex und die Grundlinie für eine unternehmensöffentliche, allgemein verständliche Entgeltpolitik für die Unternehmensleitung sein. Scheinrationale Detailausweise von Vorstandsbezügen sind entbehrlich. Abzustellen ist die Praxis, Beratungsfirmen teuer dafür zu bezahlen, das Top-Management zu beraten, wie hoch die Vergütung sein soll.

Viertens, durch Zurückdrängen der „MBA-Kultur“

An der eingetretenen misslichen Verfassung der Leitung vieler Großunternehmen sind zu einem großen Teil MBAs beteiligt. Die ‚studierten‘ Manager dominieren den Finanzsektor und weite Teile der Internet-Branche, befassen sich wenig mit Produkten/Innovationen, bewegen sich in der abgeleiteten Zahlenwelt und verhalten sich manageristisch. Eine Umlenkung von Studierenden in Richtung MINT-Fächer, in eine duale Ausbildung und die Umstellung auf eine praxisorientierte BWL-Ausbildung ist anzustreben. Der Überhang an BWL/MBA-Studenten ist einer innovativen, produktiven Wirtschaft ist keineswegs förderlich.

Fünftens, durch Stärkung der Gemeinschaft

Eines steht fest: Eigennützige Gruppen sind nicht gemeinschaftsrelevant. Darum ist deren Ansehen und Einfluss zu verkleinern. Auf der anderen Seite sind diejenigen besser zu stellen, die einen nachweislich wichtigen Dienst für die Gemeinschaft erfüllen. Kurz gesagt, diese ‚Gemeinschaftsdienstleister‘ sollten mehr verdienen, das Top-Management sollte mehr um soziale Anerkennung bemüht sein. Vorbildliche CEOs sollten öffentliche Anerkennung erhalten. Bezieher exzessiver Bezüge und solche, die sich unsolidarisch und unredlich verhalten, verdienen soziale Ächtung. Ein äußerst effektives Mittel ist die Ausgrenzung durch die Kollegenschaft. Die Möglichkeit, über Spenden oder eine gemeinnützige, philanthropische Stiftung die Rufschädigung auszugleichen, sollte immer offen stehen.

Wie sind diese fünf Ansätze einzuordnen?

Die Remedur muss an mehreren Stellen ansetzen und alle wesentlichen Aspekte miteinbeziehen, die an dieser Stelle nur stichwortartig benannt wurden. Zu Letzterem zählt die tabuisierte Paritätische Mitbestimmung. Diese Form der Arbeitnehmerinteressensvertretung ist nicht selten der Kollusion mit dem Vorstand verdächtig: auf der einen Seite wurden keine Einsprüche gegen überhöhte Vorstandsbezüge bekannt, auf der anderen Seite sind wohlwollende Zugeständnisse an die Beschäftigten in Deutschland (nicht im Ausland) die Regel. Überhaupt haben sich die sonst öffentlichkeitsbeflissenen Gewerkschaftschefs zu der Entwicklung der Vorstandsvergütung auffällig zurückgehalten. Die Feststellung, dass die aus der Zeit der Montanunion stammende Absicherung vornehmlich der organisierten Arbeitnehmer reformbedürftig ist, soll hier genügen.

Faire Vergütung ist der zentrale Schlüssel zu diesem heiklen, gesellschaftlich jedoch dringend gebotenen Thema.(28) Lohnenswert ist, sich nach praktikablen, bewährten Lösungen umzusehen. Aus den dargelegten Gründen sollte sich der Blick nicht nach den USA richten, sondern nach den skandinavischen Ländern. Dort ist die Verbindung von Angemessenheit der Vergütung und soziale Einbindung des Managements anerkanntermaßen gut gelungen. Auch Frankreich und Japan sind diesbezügliche Referenzen.

Resümee und Ausblick

“In judging whether Corporate America is serious about reforming itself, CEO pay remains the acid test. To date, the results aren’t encouraging.”(29) Mit dieser bedächtigen Äußerung verweist Warren Buffet auf die mangelnde Selbstreformierbarkeit börsennotierter Unternehmen in puncto Managementvergütung. Die letzten vier Jahrzehnte sind hinreichend Beleg dafür, dass die stärkste Fehlsteuerung im Management von der Incentivierung ausgeht. Das sind insbesondere hochriskante Firmenübernahmen, Aktienrückkäufe zum Zwecke der Kurspflege und Bonifizierung, opportunistische Kürzungen des Aufwandes für Forschung und Entwicklung Weiterbildung und den Umweltschutz. Das Top-Management vieler Unternehmen hat den Abbau von Mittelmanagement und Einsparungen bei der Lohnsumme vereinnahmt, die Gemeinschaftsleistung ausgehöhlt und die Identifizierung mit dem Unternehmen geschwächt. Der Schaden durch die Incentivierung ist evident. Beklemmend ist, dass die gewucherte Incentivierung die gemeinhin geteilte Vorstellung von ehrlicher Arbeit aushöhlt und einige wenige unverdient bereichert.

Die Angemessenheit der Managementvergütung wird für den Zusammenhalt der Gesellschaft unterschätzt. Die negativen Folgen sind in den USA seit Langem zu besichtigen. Im Kern geht es um nicht weniger, als sich von diesem Auswuchs angelsächsischer Unternehmensführung zu verabschieden.

 

„No man should receive a dollar unless that dollar has been fairly earned.”
(Theodore Roosevelt, 1858-1919, US-Präsident)

 

Quellen und Vertiefendes

  • Jensen Michael, C. and Meckling, William, H. (1976): Theory of the firm: Managerial behavior, agency costs and ownership structure. Journal of Financial Economics, 3: 305-360, 1976
  • Reich, Robert, B.(2016): Rettet den Kapitalismus, Campus Frankfurt/New York
  • Sandel, Michael, J. (2020): Vom Ende des Gemeinwohls (The Tyranny of Merit), Fischer, Frankfurt a. M.
  • Bebchuk, Lucian, Fried, Jesse (2004): Pay without Performance – The Unfulfilled Promise of Executive Compensation, Harvard University Press, Cambridge and London
  • Lafley, Alan, G.: Executive Pay (2010): Time for CEOs to Take a Stand; Harvard Business Review, May 2010
  • Fortune (June 25, 2001): The Great CEO Pay Heist Executive compensation has become highway robbery

 

Denkschriften

Denkschrift Nr. 8: Der industrielle Niedergang der USA – Lehren für Europa
Denkschrift Nr. 10: Vorstandsvergütung - so kann es nicht weitergehen
Denkschrift Nr. 39: Vom Taylorismus zum Managerismus – und danach

 

Anmerkungen

(1) The Guardian vom 21.11.2010: Der Beitrag unter der Überschrift:„Shocking inequaliy: why San Francisco voted for ‘overpaid executive tax’ berichtet von der neuen Steuer in der Höhe von jeweils 0,1 % der Vergütungen, die über dem Hundertfachen des medianen Einkommens eines CEOs liegt (bei 0,6% gedeckelt).
(2) Musk hat daraufhin den Wohnsitz nach Texas verlegt.
(3) Jensen Michael, C.; Meckling, William, H.: Theory of the firm: Managerial behavior, agency costs and ownership structure. Journal of Financial Economics, 3: 305-360. (1976). Jensen (*1939) ist Gründer der Zeitschrift und war deren Chief Editor; er erhielt MBA und PhD an der Univ. of Chicago, lehrte nach Rochester lange in Harvard und war Senior der Strategieberatung Monitor Group. Meckling (+1998) war Professor and Dean an der Simon Business School in Rochester.
(4) Ein Vierteljahrhundert später, im Nachgang zur Finanzkrise von 2008 stellte der Ex-CEO von GE, Jack Welch unverblümt fest: “On the face of it, shareholder value is the dumbest idea in the world,” financial crisis. “Shareholder value is a result, not a strategy . . . Your main constituencies are your employees, your customers and your products.”
(5) Namhafte Vertreter waren Merton Miller und Eugene Fama, beide Träger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften.
(6) Im Falle von Exxon halten die größten Fondsgesellschaften weniger als fünf Prozent, die größten Einzelaktionäre weniger als ein Promille des Aktienkapitals. Die Zahl der Aktionäre ist mit weit über 10 Millionen anzunehmen. Bei bestimmten Unternehmen halten „Gründerfamilien“ (z.B. Walmart) bzw. v.a. bei den Internetgiganten die Gründer z.T. wesentliche Aktienpakete, die aufgrund von Ausgaberegelungen mit höherem Stimmanteil ausgestattet sind.
(7) Beispiele: Willis Towers Watson (45.000 Mitarbeiter(MA); Korn Ferry (7000 MA), Heidrick & Struggles (1.600 MA), Egon Zehnder (2000 MA).
(8) Die auffallendsten Fälle waren Daimler und die Deutsche Bank.
(9) Wer diesen Umstand früh registrierte und für sich nutzte, war Jack Welch, der einen fabelhaften Track Record von steigenden Quartalsergebnissen vorweisen konnte, die nicht zu einem geringen Anteil „frisiert“ waren.
(10) Warren Buffet bemerkte dazu, dass er sich an keinen Fall erinnern kann, bei dem die Vergütungsvorschläge des Executive Board abgewiesen wurden.
(11) Beispielsweise: Henkel mit 12 Seiten; Siemens mit 30 Seiten
(12) Seit 2019 wird im Deutschen Corporate Governance Kodex eine Rückforderungsvereinbarung empfohlen; sie hat bisher keine Bedeutung in der Praxis (z.B. im Falle von Bayer der Monsanto-Kauf).
(13) Ayn Rand (1905-1982), russisch-amerikanische Gesellschaftsphilosophin und Bestseller-Autorin mit der Aufforderung: “Learn to value yourself, which means: fight for your happiness.”
(14) Abgesehen von den Spitzenverdienern erhält eine große Zahl Bezüge in der Größenordnung von 40 Mio. USD.
(15) Lt. Angaben des amerikanischen Gewerkschaftsdachverbandes, der American Federation of Labor and Congress of industrial Organization (AFL-CIO). Der sprunghafte Anstieg zu Beginn der 1990er-Jahre erklärt sich mit der vorteilhaften steuerlichen Behandlung von Aktienoptionen.
(16) Ein jüngstes Beispiel ist die Kurzzeit-CEO von SAP: Zusätzlich zur Abfindung von 15 Mio. Euro erhielt sie 1,5 Mio. Euro für vier Monate und weitere Vergütungsanteile von 7,2 Mio. Euro.
(17) Das Gebot Primum non nocere (zuerst keinen Schaden zufügen) steht in der Tradition von Hippokrates.
(18) Drucker, Peter, F.: Die Chance des Unternehmers – Signale für das Management von morgen, Econ 1987.
(19) Siehe dazu von Bruno Frey; Osterloh Margit: Yes, Manager Should be Paid like Bureaucrats, Working Paper, Nr. 187, July 2005, Zurich.
(20) Jensen war lange Zeit der Meinung: „these guys weren’t getting paid enough“.
(21) Beispielsweise nahm Siemens in kurzer Abfolge drei Änderungen des Longterm Bonus vor: von drei Jahren auf fünf und schließlich auf vier, weil dieser Wert internationaler Gepflogenheit entspräche.
(22) De facto änderte sich dadurch nichts, weil die Stimmabgabe bei Publikumsgesellschaften von management-affinen Fonds bzw. den Vertretungsorganisationen beherrscht wird.
(23) Zum Beispiel verfügte Siemens bis in die 1990er-Jahre über ein derart strukturiertes Entgeltsystem; allerdings sehr detailliert und hierarchisch.
(24) An dieser Stelle wird die Vermischung von deutschem und US-amerikanischen Gesellschaftsrecht deutlich. Die Einführung des CEO-„Titels“ diente der Personalisierung des Vorstands und führte zur wesentlich höheren Dotierung des Vorstandsvorsitzenden.
(25) Die langjährige Beobachtung der deutschen Governance-Mitbestimmungsszene legt ein Zusammenspiel von Arbeitnehmervertretern (insb. IG-Metall) und Vorstand nahe.
(26) Siehe die kosmetischen Empfehlungen seit Gründung der Kommission zum Deutsche Governance Kodex (DCGK) Im Jahre 2002.
(27) In der EU sind insbesondere/waren Luxemburg, die Niederlande und Irland bevorzugte Steuersitze.
(28) Die Vergütung von Managern, insbesondere des CEO, wurde in den letzten 20 Jahren zu einem sozial besonders sensiblen Thema. Diese Fälle sind sehr unterschiedlich gelagert: Bei Schrempp löste die „Fusion unter Gleichen“ mit Chrysler (der CEO von Chrysler bezog das Siebenfache) eine rasche Anpassung der Vergütung auf amerikanisches Niveau aus, Winterkorn kam in den Genuss eines nicht gedeckelten Bonussystems, Esser erhielt 16 Mio. Euro im Zusammenhang mit der Übernahme von Mannesmann als „Anerkennungsprämie“, Ackermann für angloamerikanische Verhältnisse normale, für Deutschland außerordentliche Bezüge (im Verhältnis zu einzelnen Investmentbankern/Tradern der Deutschen Bank eine moderate Vergütung).
(29) Im Brief an die Aktionäre von Berkshire Hathaway, Februar 2004.