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Managerismus
Denkschrift Nr. 47
28.03.2022

Wunschbild Stakeholder Value - Die notwendige Rückbesinnung auf den eigentlichen Zweck von Unternehmen

von Manfred Hoefle

 

 

Wer erinnert sich noch an das „Statement on the Purpose of a Corporation” vom August 2019?(1) Absender war der Business Roundtable (BRT), die wichtigste Unternehmensvereinigung der USA. Einhundertzweiundneunzig CEOs, von Amazon bis Walmart, unterzeichneten das Papier mit der wohlklingenden Botschaft „An Economy That Serves All Americans“.(2)

Bei seiner Veröffentlichung überschlugen sich die führenden US-Medien mit Schlagzeilen der Art: „a revolutionary moment … in business“, “tossing the old (corporate) purpose in the dustbin”, „Major change of thinking“, „Something seismic“ (erdbebengleich), „Group of US corporate leaders ditches shareholder-first mantra“. Eigentlich hätten solche sensationelle Feststellungen skeptisch stimmen müssen, hatte der BRT noch 1997 die „Shareholder Value Primacy“, den absoluten Vorrang der Kapitalmarktorientierung bekräftigt.(3) Das World Economic Forum (WEF) schloss sich im Dezember 2019 der Wende des BRT mit einem Manifest an, das ebenso für die Ablösung der Shareholder-Doktrin plädierte.

Richtungswechsel in der Unternehmensführung

Nun geht es um die Hinwendung zum Stakeholder Capitalism, einer moderaten, ausgewogenen Form „postkapitalistischer“ Unternehmensführung im Unterschied zur „Rücksichtslosigkeit, Profitgier und Ungleichheit“ des von den USA geprägten Kapitalismus.(4) Der dafür vorzunehmende Interessensausgleich umfasst Beschäftigte, Kunden, Lieferanten, Kreditgeber, auch Gemeinden, die regionale/nationale Wirtschaft, die Gesellschaft, die Umwelt und natürlich die Aktionäre. Dass Stakeholderism (Anspruchsgruppen-Ansatz) willkommen war, hat seine Gründe: das Sentiment, dass Stakeholder ein begründetes Interesse am Unternehmen haben; der Druck von Großinvestoren, allen voran die weltweit größte Vermögensverwaltung BlackRock,(5) auf Unternehmen, einen Beitrag für die Gesellschaft vorzuweisen, dann die verspätete Wahrnehmung, dass Unternehmen in unbilligem Maße Kosten auf andere abladen (externalisieren) und schließlich die Einsicht, dass das singuläre Kriterium Shareholder Value (SHV) der Komplexität der Unternehmensführung nicht gerecht wird.

Kluft zwischen Wort und Tat

Sosehr und schnell die scheinbare Begeisterung für das Stakeholder-Modell ausgebrochen war, sobald und unabweislich zeigten sich Widersprüche zwischen Wort und Tat der Unternehmensleiter; die Vorbehalte aus Sicht von Corporate Governance mehrten sich. Die vielen Fälle von Fehlverhalten waren zum größten Teil auf mangelnde Sorgfalt und das Sparen auf Kosten der Sicherheit zurückzuführen (siehe dazu zwei Branchenbeispiele im Anhang).

Handlungsleitend dabei ist die Überlegung, eher Entschädigungen und Strafen in Kauf zu nehmen als präventiv, verantwortungsvoll tätig zu sein. Die Externalisierung von Kosten wiegt im Auge des kapitalmarktfixierten Managements mehr als die Schädigung von Menschen und Umwelt. Das missratene Kalkül steht in engem Zusammenhang mit der Quartalsberichterstattung und der Management-Incentivierung, deren Wirkweisen unter www.managerismus.com ausführlich beschrieben sind.

Nachgewiesene Folgenlosigkeit

Ein Jahr nach der BRT-Veröffentlichung wartete die Harvard Law School mit einer umfänglichen Studie zum Stakeholderism auf.(6) Das Fazit ist ernüchternd: America’s Top CEOs kamen ihren unterschriebenen Versprechungen in keiner Weise nach. Die Unterzeichner haben die Governance ihrer Unternehmen nicht verändert. Von den CEOs wurden keine Board-Entscheidung eingeholt und die Governance Guidelines nicht angepasst; nicht mal in den Konzernen, deren CEOs im Board des BRT den Vorsitz haben (JP Morgan, J&J). Auch die Vergütung des CEO und des Board blieben unverändert: Weiterhin sind 98% der dafür herangezogenen Größen financial metrics. Auch die in den USA einflussreichen Stimmrechtsvertreter(7) (Institutional Shareholder Services (ISS), Glass Lewis) haben es unterlassen entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Die Verfasser der Studie kommen zum Schluss, dass die BRT- Initiative inadäquat, zum Teil sogar kontraproduktiv und „mostly for show“ ist.

Die Veröffentlichung dieses „soft“ Statements war wohl mit Bedacht auf die öffentliche Stimmung und mit Blick auf bevorstehende US-Wahlen angelegt. Dass ein Jeff Bezos (Amazon) zu den Mitunterzeichnern gehört, unterstreicht den Opportunismus der BRT-Initiative. Internet-Player haben definitiv einen Purpose, aber die Praxis der Vermachtung von Märkten und die Schaffung hoher Nutzerabhängigkeit lassen diese zwielichtig erscheinen. So hat das ursprünglich bei Google geltende Gebot Don’t be evil seine Geltungskraft zu einem großen Teil verloren. Die Glaubwürdigkeit von Bekenntnissen zum Stakeholder Modell leidet, wenn zum Beispiel der Chef und bekennende Stakeholder-Vertreter von Salesforce, Marc Benioff, am Tag nach Verlautbarung eines herausragenden Quartalsergebnisses 1000 Leute feuern lässt.

Fluch der Kurzfristigkeit

Unausweichliche Konsequenz des dominanten angelsächsischen Kapitalmarktes ist die Kurzfristigkeit. In der dortigen, pathologisch anmutenden Ausprägung wird sie als Short-Termism bezeichnet. Dahinter steht eine in den letzten Jahrzenten verbreitete Vorstellung vom Unternehmen als Earnings-/Profit-Generator. Diesem, vor allem von Business Schools, Strategieberatern und Kapitalmarktvertretern propagiertem Konstrukt, liegt ein Wirkungsmechanismus zugrunde, nachdem Maßnahmen unmittelbar die bezweckten Folgen zeigen und diese sich in messbarer (positiver) Performance niederschlagen. Die Messung erfolgt im Allgemeinen ausschließlich finanziell mit engem Bezug zur Bewertung am Kapitalmarkt.(8)

Kurzfristigkeit ist – ohne es zuzugeben – vom Management gewollt. Es will, dass sein Tun sich unverzüglich nachweisen lässt. Auf diese Weise sollen Kompetenz und Zielstrebigkeit unter Beweis gestellt werden. Zeitnah soll es sich in der stark erfolgsabhängigen Vergütung niederschlagen. Da die Zeit als CEO im Allgemeinen von kurzer Dauer (USA-Median 5 Jahre) ist, ist Eile geboten.

Allgemein akzeptiert ist, dass die Interessen der Stakeholder zeitlich unterschiedlich gelagert sind. Auf einer Zeitschiene aufgetragen sind Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten überwiegend an einer längerfristigen Bindung interessiert, Gemeinden und Regionen sowieso. Die einflussreichste Gruppe, die Aktionäre bzw. Kapitalmarktvertreter im Verband mit dem Management, ist dagegen in großer Überzahl kurzfristig orientiert, spekulativ eingestellt. Das Management ist, insbesondere bei Publikumsgesellschaften, auf den schnelldrehenden Kapitalmarkt ausgerichtet und obendrein in der starken Position, die Stakeholder zu seinem Vorteil zu behandeln.

Trotz aller Befürwortung von Langfristigkeit zeigt das Top-Management kein ernsthaftes Interesse von der Shareholder Value-Orientierung abzugehen. Der einsichtige Grund ist, dass das Management vom Incentivierungs- und Vergütungsreglement einseitig begünstigt wird. In den USA sind 98 Prozent des Managements großer börsennotierter Unternehmen kurzfristig-finanziell incentiviert. Von den S&P500 CEOs sind 91 Prozent Performance based vergütet. Diese Uniformität ist beeindruckend und bedenklich. Zudem ist das Parabusiness (v.a. Investmentbanker, Berater(9), Wirtschaftsprüfer) mit der jetzigen Konstellation besser bedient, weil unter dem Dach der Kurzfristigkeit ungleich mehr verdient wird.

An dieser Stelle ist die im Vergleich zu allen Beschäftigten überschießende Entwicklung der Managementvergütung scharf zu kritisieren(10). Geht man ihr auf den Grund, kommt man zum Schluss, dass eine Selbstbereicherung der „cleveren und powerful“ vorliegt. In gewisser Hinsicht lässt sich dieses Ausscheren aus der Einkommensentwicklung der Beschäftigten als geduldete soft corruption erklären.

Unternehmerisch geprägte Firmen sind in aller Regel langfristig ausgerichtet, bei Familienunternehmen meistens generationenübergreifend und nicht primär finanziell. Zur Messung des Unternehmenserfolgs haben qualitative Maßstäbe eine vergleichsweise große Bedeutung. In einem Bild ausgedrückt: Kurzfristig orientierte Unternehmen ähneln einer häufig geernteten Plantage, langfristige mehr einem kultivierten Nutzgarten.

Notwendige Rückkehr zum Purpose

In der Zeit und in den Fällen, in denen der Kapitalmarkt keinen beherrschenden Einfluss auf die Unternehmen hatte, war der Zweck eines Unternehmens quasi naturgegeben: die Herstellung und der Verkauf von Gütern. Im Zuge der „Kapitalisierung“ von Märkten und Unternehmen ging vor allem im angelsächsischen Bereich die Einsicht verloren, wozu Unternehmen dienen. Die Antwort gab der legendäre Management-Lehrer Peter Drucker 1954 mit dem schlichten Satz: „There is only one valid Purpose of a corporation, to create a customer.”Die gesellschaftliche Rückbindung war damals implizit vorausgesetzt.

Die Funktion eines Unternehmens sollte eigentlich selbsterklärend sein: ständig besser werden, innovieren, gute, kreative Lösungen bieten, sich auf Entwicklungen einstellen und Umbrüche meistern. Um das machen zu können, sind eine solide Finanzierung, ein gutes Verhältnis zur Belegschaft und ein hohes Maß an Identität erforderlich. In jüngster Zeit wurden den Unternehmen gesellschaftspolitische Ansprüche wie Corporate Social Responsibility, Diversity und politische Agenden aufgedrängt, die den Zweck eines Unternehmens überfrachten.

Der eingangs charakterisierte Pharma- und Konsumgüterkonzern Johnson & Johnson (J&J) hatte in den 1940er-Jahren in seinem „Credo“ (zum Unternehmenszweck), die Verpflichtung des Unternehmens gegenüber den Stakeholdern betont, und zwar in dieser Reihenfolge: Patienten, Ärzte, Schwestern, Kunden, Geschäftspartner, Beschäftigte, Gemeinden, Umwelt, natürliche Ressourcen, schließlich „stockholders should realize a fair return“. Bei Merck galt die Erfahrung, an die der Company President George W. Merck (1894-1957) gemahnte: „Wir wollen nie vergessen, dass Medizin für die Leute da ist und nicht für Gewinne. Gewinne werden folgen, und wenn wir zurückdenken, dann sind sie auch nie ausgeblieben.“ Das sind zwei typische Statements aus einer Zeit, in der der Purpose noch nicht durch den SHV denaturiert war.

Noch ein Verweis auf den Mittelstand: Dieser, insbesondere die vielen dazu gehörigen Hidden Champions, haben mit Purpose und Stakeholdern kein Problem, vielmehr liegt das Austarieren von Interessen in deren Natur. Sie sind innovativ, produktiv, pragmatisch, denken und handeln generationenübergreifend. Ein umfassendes Geschäftsverständnis sieht im Gewinn bzw. dem Unternehmenswert den Nachweis für erfolgreiches Handeln und einen Vorschuss auf die Weiterentwicklung des Unternehmens. Vom Mittelstand lernen, ist den vielen börsennotierten Unternehmen – vom Dax bis zum S&P500 – zu raten. Und Business Schools sollten lehren, was gute beständige Praxis ist, wozu sie sich mit dem Mittelstand befassen müssten.

Schlussfolgernd

Je längerfristiger die „Stakes“ (Interessen) angelegt sind, desto mehr konvergieren die Interessen von Shareholdern und Stakeholdern. Daraus ergibt sich ein klares Votum.

Unternehmen sollen langfristig ausgerichtet sein.

Das verlangt nicht mehr und nicht weniger als den engen Quartalshorizont börsennotierter Unternehmen zu weiten, ein Unterfangen, das den Interessen großer Teile des Kapitalmarktes, des Parabusiness und des Top-Managements widerstrebt. Es mündet in der Forderung, die Quartals- auf eine Halbjahresberichterstattung umzustellen und die Managementvergütung auf ein für die Gemeinschaft verträgliches Maß zu begrenzen.

Das ist eine plausible Forderung, sie wird aber im Grunde abgelehnt: von den CEOs, die die „Gunst ihrer Stunde“ nutzen wollen ihre Vergütung zu maximieren; von den Investoren, die zu einem Großteil Pensions- und Hedgefonds sind, für die die aktuelle Rendite Priorität hat - ohne Rücksicht auf die längerfristige Verfassung des Unternehmens.(11) Diese Fehlorientierung und Verstrickung der Corporate World kann nur von außerhalb angegangen werden, so sehr eine Selbstorganisation mit vielfältigen Lösungsansätzen wünschbar ist. Das Dilemma ruft nach einer umfassenden Regulierung. Aufgrund ihrer Funktion als Role Model in der Unternehmensführung und wegen der ‚Power‘ auf dem Kapitalmarkt sind die USA an erster Stelle gefragt. Ob der Impuls von dort kommt, ist ungewiss. Deshalb sollte die EU endlich eigene Anstrengungen unternehmen, eine ausgewogene Governance auf den Weg zu bringen. Warum ist es um die Gestaltungkraft der EU bei einer solch elementaren Frage schlecht bestellt im Unterschied zu Themen wie Diversity?

Unverzichtbar ist die Rückbesinnung auf den eigentlichen Purpose

Unternehmen sind keine „Gewinnmaschinen“ bzw. Generatoren des SHV(12), sondern wertvolle Gemeinschaften, werthaltig, weil sie echte Leistung für Kunden und die Gemeinschaft erbringen. Ein solches Unternehmensverständnis ist der Schlüssel zu dem Dilemma von Share- and Stake, knüpft es doch an die Tradition der Unternehmensführung vor 50 Jahren an und führt nach den Irrungen des SHV in eine gemeinschaftsverträgliche Wirtschaft hinein, bzw. in die bewährte Soziale Marktwirtschaft zurück, noch ehe sie zum Wohlfahrtsstaatsmodell verformt wurde.

Das „Commitment“(13) des BRT ist eine besänftigende Absichtserklärung. Sie hat das Dilemma rhetorisch gelöst, kurzzeitig Illusionen geweckt, jedoch nicht erklärt und glaubhaft gemacht, was und von wem zu ändern ist. Mit dieser Enttäuschung darf man sich nicht abfinden, wenn es endlich anders werden soll.

 

Vertiefendes

 

Eine persönliche Reminiszenz zum Schluss
Bereits 1970 behandelte der renommierte BWL-Professor von St. Gallen (HSG), Hans Ulrich, die Frage des Shareholder- versus Stakeholder-Modells für die Unternehmensführung. Er vertrat die Meinung, dass das „Unternehmen als produktives soziales System“ die Interessen der Stakeholder gebührend zu berücksichtigen hat. Den Ansatz der Gewinnmaximierung hielt er für unterkomplex und vertrat die Heuristik des „satisficing“ (Anspruchserfüllung bei Mehrzielentscheidungen) von Herbert A. Simon. Immer wieder bewahrheitete sich, dass modische und interessengeleitete Ansätze wie der SHV oder die Gewinnmaximierung auf Dauer nicht tragfähig sind, nicht zuletzt, weil sie dem gesunden Menschenverstand und der Erfahrung widersprechen.

 

Anhang

Bild von der Realität - zwei „problematische“ Branchen

Seit den 1980er-Jahren vollzog sich in der US-Pharmaindustrie eine auffällige, aber dennoch wenig beachtete Zuwendung zu einer kapitalmarktfixierten Unternehmensführung. Zu nennen sind die Unternehmen Merck, das bis in die 1990er-Jahre früher mit ihrer Forschungsstärke brillierte und unter der Führung eines Harvard MBA und ADL-Consultant immer mehr zu einer „Kapitalmarktfirma“ wurde; Pfizer, das hauptsächlich über eine Vielzahl immer größerer Akquisitionen zum weltgrößten Pharmaunternehmen wurde, aber regelmäßig und zunehmend durch unzulässige Marketingpraktiken hervortrat; Johnson & Johnson, das 136 Jahre alte Pharmazie- und Konsumgüterunternehmen, das sich einer sich häufenden Zahl von Prozessen konfrontiert sah, darunter die Falschvermarktung des antipsychotischen Medikaments Risperdal, die Herstellung „toxischer“ Baby Puder und das Geschäft mit Opioiden, das mit einer Streitsumme von mehreren Milliarden USD belastet ist.

Erwähnenswert sind weiters die skandalösen, Shareholder Value-orientierten Unternehmen Valeant Pharmaceuticals International(14) und Purdue Pharma, der höchst aggressive Vermarkter des „Opiats“ OxyContin(15). Beide Unternehmen wurden insolvent, kurzzeitig waren sie wachstumsstark, hochprofitabel, Valeant ein Börsenstar; statt Heilung zu bringen haben sie großes Unheil verursacht.

Die zweite Gruppe sind die Mineralöl- und Gaskonzerne. Das größte Unternehmen, ExxonMobil, bekämpfte unablässig das Kyoto-Protokoll, indem es Studien und Organisationen unterstützte, die den Einfluss der Verbrennung fossiler Energieträger auf den Klimawandel bzw. die Erderwärmung abstritten; es hat den Ruf erworben, Öffentlichkeit und Investoren falsch zu informieren und dabei ähnliche Praktiken anzuwenden wie früher die Tabakindustrie. Dem Unternehmen wurde eine späte und unzureichende Beseitigung der von der Exxon Valdez 1989 vor Alaska verursachten Ölpest, die bisher größte Umweltkatastrophe der Seefahrt, vorgeworfen. BP (British Petroleum) wurde vorgehalten, die schärfsten Gegner von Maßnahmen gegen den Klimawandel in Europa zu sein. Die Missachtung von Sicherheits- und Umweltvorschriften liest sich wie ein Skandalregister: riesiger Ölausfluss in der Prudhoe Bay in Alaska, Tankleckagen in Kalifornien, Gasleckagen im Kaspischen Meer, zahlreiche tödliche Betriebsunfälle in der Texas City Refinery, die Deepwater Horizon Explosion, die zur Ölkatastrophe im Golf von Mexico führte, unsachgemäße Entsorgung von Raffinerie-Rückständen und einiges mehr.

 

Anmerkungen

(1) Siehe Stellungnahme unter Managerismus vom Sept. 2019:- Shareholder Value passé
(2) https://www.businessroundtable.org/business-roundtable-redefines-the-purpose-of-a-corporation-to-promote-an-economy-that-serves-all-americans
(3) Der SHV wurde vor rund 50 Jahren von Milton Friedman geistig vorbereitet mit der einfachen Formel: „The social responsibility of business is to increase its profits.“ Die daraus entstandene Friedman -Doktrin besagt, dass Unternehmen keine soziale Verantwortung haben und einzig den Aktionären verpflichtet sind. Der Wirtschaftsprofessor Alfred l. Rappaport (*1932) entwickelte mit Joel Stern den Shareholder Value-Ansatz; letzterer vermarktete das Konzept über die Beratungsfirma Stern & Stewart auch in Deutschland. Der erste Anwender war Siemens. Eine Reihe von Dax-Unternehmen folgten.
(4) Charakterisierung des Business Columnist Steven Pearlstein
(5) Die entsprechende Feststellung von CEO Larry Fink: “Companies without a sense of purpose will lose the licence to operate from key stakeholders.”
(6) Lucian Bebchuk and Roberto Tallarita: The Illusory Promise of Stakeholder Governance; Cornell Law Review, Volume 106, 2020, pp. 91-178, Harvard Law School John M. Olin Center Discussion Paper No.1052; Harvard Law School Program on Corporate Governance Working Paper 2020-1. Dazu gibt es eine Gegenposition von Colin Mayer (Prof. of Oxford and ECGI), der sich gegen eine einseitige Shareholder-Orientierung ausspricht: Shareholderism versus Stakeholderism – A Misconceived Contradiction – a Comment on (obiges Paper), Law Working Paper, June 2020.
(7) Dies sind die beiden wichtigsten sogenannten Proxy Advisories, die für Institutionelle Anleger umfangreiche Beratung zur Stimmrechtsabgabe erbringen.
(8) Als Analogie bietet sich die ständige Messung des Blutdrucks anstelle eines umfassenden Gesundheitschecks in größeren Abständen an.
(9) McKinsey plädierte erst 2011 für eine Beschränkung des Short-Termism (Dominic Barton in HBR). In einem Beitrag vom Februar 2017 lieferte McKinsey den eigentlich offensichtlichen Nachweis, dass „Managing for the Long Term Pays Off“. Im Juni 2020 argumentierte das Beratungsunternehmen, das zu den Unterzeichnern der BRT-Proklamation gehört: „maximizing a company’s value to its shareholders, now and in the future“ wäre ein Besseres als „simply maximizing todays share prize.“ Dieser kurze Abriss lässt auf eine opportunistische, eigennützige Grundhaltung von McKinsey schließen.
(10) Siehe Denkschrift Nr. 10: Vorstandsvergütung – so kann es nicht weitergehen
(11) Ein diesbezüglich typisches Beispiel war IBM der letzten 20 Jahre, in denen alle Mittel der Kurspflege genutzt wurden, die Firma indes mehr und mehr an innerer Stärke verlor. Den Hauptnutzen hatte das Top-Management.
(12) Der prominenteste Vertreter des SHV, der langjährige CEO von GE, Jack Welch, nannte nach seinem Abschied den SHV-Ansatz „the dumbest idea in the world“ (weil SHV das Ergebnis und nicht das Unternehmensziel ist. Frappierend ist, wie der „Manager des Jahrhunderts“ (Fortune) so lange einer verkehrten Lehre anhängen konnte und dass es in der Community kaum jemand merkte; schon gar nicht die Business Schools, die „GE-Watcher“, die Business Media.
(13) Im Wortlaut: „… we share fundamental commitment to all of our stakeholders. We commit to: .. customers …, employees … , suppliers …, communities .., shareholders …. Each of our stakeholders is essential. We commit to deliver value to all of them, for the future success of our companies, our communities and our country.”
(14) Siehe dazu die Denkschrift: McKinsey – Kapitalismus pur
(15) Siehe dazu: https://www.managerismus.com/themen/parabusiness/schwarzbuch-mckinsey-anspruch-und-wirklichkeit