In diesem Übersichtsbeitrag werden zuerst Entstehung und Grundlagen der heute in der westlichen Welt weit verbreiteten Form des Managements, vor allem in börsennotierten Großunternehmen erklärt. Danach werden die Ausprägungen in den wesentlichen Wirtschaftsräumen kurz dargestellt. Zuletzt werden Schlussfolgerungen für einen Turn-around der Einstellung des Managements gezogen.
Wege zum Managerismus
Das technokratische Fundament des Managerismus wird in den USA mit der Managementtheorie von Frederick W. Taylor (1856-1915) begründet.(1) Mit dem Einzug der arbeitsteiligen Massenproduktion zeichnet sich diese Lehre durch ein distanziertes Verhältnis zum Menschen und einen ausgeprägten bürokratisch-analytischen Stil aus. Im Taylor-Modus werden die Arbeiter im Einklang zu Maschinen getaktet. Dem Management kommt die Aufgabe zu, mit „wissenschaftlichen“(2) Methoden den bestmöglichen Weg zur Durchführung einer Aufgabe bis ins Detail festzulegen. Auswahl und Anlernen der Arbeiter werden darauf abgestellt. Mit dem Akkordsystem soll das Übertreffen der Leistungsnormen erreicht werden. Das systemische Element des Taylorismus betont die Zweiteilung des Unternehmens/Betriebes: in Manager, die Planung, Steuerung und Kontrolle ausüben und in Arbeiter, die die standardisierten Prozesse stark arbeitsteilig ausführen. Die Folge waren komplexe Strukturen mit vielen Hierarchieebenen, viele starre Systeme und Vorschriften.
Der Taylorismus verbreitete sich sowohl in marktwirtschaftlich als auch in zentral geleiteten Volkswirtschaften. Die Parallelen auf diesem Gebiet zwischen Sozialismus und dem Kapitalismus sind nicht zu übersehen: Mit der Übertragung der Leitung auf angestellte Manager beschränkt sich die Mitwirkung des Aktionärs auf einen Dividendenanteil am Gewinn.
Der moderne Kapitalismus zeichnet sich durch die gleichzeitige Konzentration der Produktion in großen Aktiengesellschaften und eine Streuung des Eigentums unter vielen Aktionären aus.(3) Die Verteilung des Eigentums auf viele Anteilsbesitzer führte zu einem Kontrollverlust hinsichtlich des Wirkens der „neuen Klasse“ von Managern; sie haben nämlich großes Interesse, die Entwicklung der Unternehmen von wechselnden Mehrheiten der Aktionäre möglichst unabhängig zu machen. Dazu mussten die Befugnisse der Hauptversammlung und der Einfluss einzelner Aktionäre abgeschwächt werden. Die an den Rand gedrängten Aufsichtsorgane und Anteilsbesitzer waren nur mehr gehalten, den Managemententscheidungen zuzustimmen. Mit umfangreichen Haftungsausschlüssen und über entsprechende Versicherung (D&O-Insurance) schützte sich das Management gegen Haftungsansprüche und mit ausgeklügelten rechtlichen Regelungen sicherte es das Unternehmen gegen ihm nicht gelegene Interventionen ab v. a. durch Klauseln gegen Übernahmen und teure Abfindungen. Zudem räumte sich das Management immer häufiger Privilegien (fringe benefits) ein.
Nach dem Ende des 2. Weltkriegs bildete sich das Management als eigenständige Funktion heraus und wurde zu einer Disziplin, die ihren Schwerpunkt in Planung, Entscheidungsfindung, Kommunikation und Ergebniskontrolle hat. Im Zuge der fortschreitenden Wettbewerbskonzentration, des starken Wachstums von Großunternehmen, der rapide gewachsenen Zahl von Business School-Absolventen (MBA) und einer breiteren Eigentümerstruktur in Folge von in Aktien investierenden Pensionsfonds übernahmen angestellte Unternehmensfunktionäre/Manager faktische die Kontrolle von Unternehmen.
Noch in den 1960er Jahren bestand Konsens darüber, dass Manager der großen Aktiengesellschaften keine Strategie der Profitmaximierung zum eigenen Vorteil verfolgten. Das primäre Ziel war Wachstum. In den modernen Volkswirtschaften errangen die Konzerne eine beherrschende Stellung. Die Macht in den börsennotierten Unternehmen wanderte von den Eigentümern auf die Manager über. Diese neigen dazu, die Unternehmen ständig zu vergrößern: am schnellsten durch Übernahmen von Unternehmen der gleichen Branche und in vielen Fällen auch durch breite Diversifikation, die zur Bildung großer Konglomerate führte; fast alle verschwanden nach gut einem Jahrzehnt.
Die Marktmacht wurde bis an und über die dehnbaren Grenzen des Kartellrechts ausgedehnt und Unternehmen als Portfolio von Geschäften gemanagt. Die entsprechenden Konzepte, Cashflow-Balancing und Wettbewerbsstrategien stellten die Business Schools, allen voran die Harvard Business School bereit. Für die Vergütung des Managements war noch die Größe, bemessen an der Zahl der unterstellten Mitarbeiter, das maßgebliche Kriterium. Die Trennung von Eigentum und Kontrolle in den großen Aktiengesellschaften schirmte die Manager gegen den Einfluss der Eigentümer ab und verschaffte ihnen weitgehende Autonomie. Mit der Einführung des Shareholder-Value (SHV) in den 1980er-Jahren fand ein Strategiewechsel statt. Das dominante Ziel wurde stetes Gewinnwachstum und als wichtigstes Nebenprodukt die Maximierung des eigenen Einkommens.
Vehementer institutioneller Kritiker der offensichtlichen Auswüchse des Kapitalismus war der Ökonom John Kenneth Galbraith (1908-2006). Im letzten Werk befasste er sich eingehend mit dem Realitätsverlust der heutigen Gesellschaft, der Rolle der Großunternehmen und ihrer Leitung.(4) Nach seiner Beobachtung ist spätestens Ende des 20. Jahrhunderts eine breite Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse in Wirtschaft und Politik eingetreten, von ihm ironisierend als „unschuldiger Betrug“ bezeichnet. Die Mitglieder des Board of Directors geben sich danach als Interessensvertreter der Aktionäre, obgleich sie vom Vorstand ausgewählt und ihm de facto gefällig sind. Dieses Verhältnis ermöglicht eine legale Selbstbereicherung. Denn die vom Vorstand eingebrachten Vergütungsvorschläge werden in aller Regel als Formsache gebilligt.(5) Zu den wesentlichen Merkmalen börsennotierter Großunternehmen gehört ein Managementsystem, das Überdehnung und Selbstbereicherung fördert.
Der anglo-amerikanische Wirtschaftsraum
In den 1960er-Jahren befanden sich in den USA noch mehr als 80 Prozent des Aktienkapitals im direkten Besitz von Kleinaktionären und Familienunternehmern. Das Management war nicht gezwungen, eine möglichst hohe Dividende auszuweisen und damit am Kapitalmarkt zu konkurrieren; es war leistungsorientiert, bezog aber im Großen und Ganzen den Menschen mit ein und war sich mehrheitlich der gesellschaftlichen Verantwortung bewusst. Dieses Managementverständnis wurde von Peter F. Drucker (1909-2005), dem weltweit anerkannten Managementtheoretiker und -lehrer, nachdrücklich propagiert. Drucker hat sich seit den 40er-Jahren unnachahmlich mit dem Entstehen des Managements, dem Emporkommen der Manager als berufliche und soziale Klasse und deren Wandlungen bis zu Beginn dieses Jahrhunderts beschäftigt.(6) Nach seiner Sicht ist Management kulturgebunden, unterliegt den Werten und Traditionen der Gesellschaft. Aufgrund des klaren gesellschaftlichen Bezugs von Unternehmen sind Manager demzufolge sozial verantwortlich. Gewinnerwirtschaftung ist nach Drucker nicht der Zweck von Unternehmen, sondern eine, wenn auch wesentliche Nebenbedingung.
Doch mit den1980er Jahren zog die Financialisation(7) der Wirtschaft ein und damit ein immer stärker kapitalmarktgetriebenes und eigennütziges Managementverhalten. Proponent dieser Entwicklung war der neue CEO von GE, Jack Welch, der fortan den Shareholder Value (SHV) ins Zentrum der Unternehmensführung stellte. Auswirkungen waren eine große Zunahme von Unternehmenskäufen und -verkäufen (M&A), ein sprunghaft angestiegenes Outsourcing bzw. Verlagerung von Produktionen an Billigstandorte, insbesondere nach Mexiko und China. Daraus folgte eine tiefgreifende Veränderung der Wirtschaftsstruktur: Während bis 1980 rund die Hälfte der Unternehmensgewinne aus dem produzierenden Sektor stammten, waren es 2011 nur noch 17 Prozent – und der Anteil des Finanzsektors lag bei 33 Prozent.
Mit dem SHV wurde die Incentivierung des Managements weit verbreitet. Die Bezüge des Top-Managements erhielten einen starken Auftrieb. Der Börsenboom der Jahrtausendwende brachte die Inszenierung von Chief Executives als „Business Heros“, Hinzu kamen Bilanzmanipulationen; feindliche M&A-Aktionen, und rücksichtslose Betriebsschließungen. Die Vorteile kamen in erster Linie dem Management und dem Parabusiness(8), den stark vermehrten Managementdienstleistern, zugute. Die große Mehrheit der Arbeiter und Angestellten blieb bei der Verteilung der eingefahrenen Gewinne außen vor. Deren Realeinkommen schrumpfte, während die Bezüge der Top-Manager unaufhaltsam stiegen.
Exponenten dieser Schattenseite der Wirtschaft waren die von den Medien gehypten und an den Business Schools als Referenzunternehmen geführten US-Firmen, vor allem Enron, WorldCom, Tyco; und in jüngster Vergangenheit GE und Boeing.
Großbritannien hat US-Entwicklungen im Management später aufgenommen, was zu einem guten Teil an dem verstaatlichten Anteil der Industrie und dem generell großen gewerkschaftlichen Einfluss lag. Ab Beginn der 1980er-Jahre setzte eine umfangreiche Deregulierung des Finanzmarktes und Privatisierung ein mit der Folge, dass die City (of London) kräftig expandierte, es aber gleichzeitig zu einer schleichenden Deindustrialisierung kam. An dieser war in erster Linie eine finanzbasierte Unternehmensführung beteiligt, die Innovation und Produktion vernachlässigte. Die ungehemmte Liberalisierung führte zudem zu zahlreichen Firmenübernahmen durch ausländische Investoren und Konkurrenten. Der Großteil des produzierenden Sektors wurde verkauft oder herunter gewirtschaftet. Was die Managementpraktiken angeht, insbesondere bei Outsourcing, Unternehmensfinanzierung und Managementvergütung, kam es zu einer Angleichung an die USA.
Der kontinentaleuropäische Wirtschaftsraum
Im Unterschied zum angloamerikanischen Raum hat sich in Deutschland mit der Reform des Aktiengesetzes (in den Fassungen des AktG von 1937/1965 sowie im dem BetrVG 1952 und dem MitbestG 1976) ein interessenspluralistischer und sozialgebundener Unternehmenstyp herausgebildet; dieser kann als kooperatives Corporate Governance Modell bezeichnet werden. Die beteiligten Stakeholder - das sind Manager, Beschäftigte und Aktionäre - haben sich auf ein interessengeleitetes Blockmodell verständigt. Offene, aber meist stillschweigende Übereinkünfte zwischen Interessensgruppen, denen das Wohl des Unternehmens wichtig, aber nicht prioritär ist, waren die Regel.
Mit der Globalisierung der Produkt- und Finanzmärkte drangen amerikanische Praktiken und Modelle der Unternehmensführung in Kontinentaleuropa, im Besonderen in Deutschland als größter Volkswirtschaft und industrielles Zentrum Europas vor. Das vollzog sich in dem Maße, wie deutsche Konzerne sich auf dem US-Markt engagierten und amerikanische institutionelle Anleger sich an deutschen Publikumsgesellschaften beteiligten. Seit 2007 befinden sich die 30 größten deutschen börsennotierten Konzerne (DAX30) mehrheitlich in ausländischem Besitz (zu über 25 Prozent in US-amerikanischem).
Nicht nur die Eigentumsverhältnisse haben sich - von der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen - verschoben. Kapitalmarkt-Organisatoren wie die Deutsche Börse und viele Dax-Unternehmen haben amerikanische Regeln der Rechnungslegung, des Handels und Usancen der Berichterstattung übernommen. Etwa ein Drittel der DAX30 haben sich an der Börse in New York (NYSE) vorübergehend listen lassen. Amerikanische Analysten und die Big4 der Auditors, Consultants in allen Bereichen und Rating-Spezialisten trieben die Abwendung vom HGB und von traditionellen Regeln wie Mehrfachstimmrechte voran. Resultat ist die wenig thematisierte Amerikanisierung des deutschen Kapitalmarktes.
Während der letzten 20 Jahre kam es in Deutschland gehäuft zu Übertreibungen und Abweichungen von einem verantwortungsvollen Management. Sporadische Empörung erregten in breiten Kreisen exzessive Vergütungen von Vorstandsvorsitzenden unter Mitwirkung der Paritätischen Mitbestimmung. Nach 1995 haben sich im DAX30 die Vorstandsbezüge im Durchschnitt innerhalb von fünf Jahren um das Dreifache erhöht. Im Jahre 1965 betrug der Abstand zur Lohnsumme eines einfachen Arbeiters das 20-fache, in den Jahren ab 2015 bis auf das 300-fache. Trotz aller Bekundungen von Seiten der Politik, die Vorstandsvergütung einzuschränken, kam es zu keiner nennenswerten Korrektur.
Unternehmen wie die frühere DaimlerChrysler oder Volkswagen und Gesellschaften des untergegangenen Neuen Marktes waren einprägsame Belege von Managerismus. In den letzten 20 Jahren hat diese Art des Managens von Unternehmen an Breite gewonnen. Man denke an Traditionsunternehmen wie Thyssen-Krupp oder den deutschen Bankensektor. Insgesamt performten die manageristisch geführten Unternehmen jedoch unterdurchschnittlich.(9)
Frankreich hat eine stark etatistisch beeinflusste Form der Leitung großer Unternehmen bzw. Unternehmensverbünde. Typisch dafür ist der Karrierepfad vieler Top-Manager: beginnend mit einem Abschluss an einer der École superiéure und der Alumni-Netzwerke über Funktionen in Ministerien zum Vorstandsposten in einem Großunternehmen. Weiterhin typisch ist die französische Variante der Industriepolitik. Aus der Tradition der Plánification stammend, werden nationale Champions, europäische unter französischer Führung (Airbus) favorisiert. Obwohl der Top-down-Ansatz im Ganzen erfolglos blieb, gab es immer neue Anläufe dazu. Das Land ist bekanntlich in hohem Maße zentralistisch. Das ist ein großes Hindernis für das Unternehmertum, begünstigt aber Funktionseliten in der Wirtschaft. Deren Einkommensniveau liegt übrigens unter dem europäischen Mittelwert.
Italien verfügt über wenige große Unternehmen. Soweit diese als Versorgungsunternehmen und Finanzinstitutionen staatlich organisiert sind, sind sie dem französischen Modell ähnlich, so sie in privater Hand sind, werden sie meist patriarchalisch geleitet.
Große Unternehmen in den skandinavischen Ländern weisen häufig eine starke internationale Ausrichtung auf. Typisch für diese Länder ist eine verhältnismäßig egalitäre Gesellschaft, die eine gute gesellschaftliche Einbettung von Unternehmen mit sich bringt. Top-Manager sind integriert und haben in der Regel hohes Ansehen, sind durchwegs pragmatisch orientiert und weltoffen. Die Managementgehälter sind moderat; sie betragen bei vergleichbaren Unternehmen nur etwa ein Drittel bis ein Viertel des US-Niveaus. Im Verhältnis zu den Arbeiterlöhnen liegen sie beim 50-fachen bis maximal dem 90-fachen in Schweden.
Andere Wirtschaftsräume
Japan hat beim Management eine weitgehend eigenständige Entwicklung genommen, und das trotz des beherrschenden Einflusses Amerikas unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Land hat eine alte Ingenieurtradition und eine starke Produktionsorientierung. Bemerkenswert ist, dass amerikanische Erkenntnisse des Qualitätsmanagements in keinem anderen Land so konsequent angewandt wurden. Dagegen fand der mechanistische Taylorismus kaum Eingang, weil dieser mit der Kultur der Betriebsgemeinschaft schlecht verträglich war. Japan wurde in den 1980er-Jahren zum Vorbild für die Produktionswirtschaft mit Konzepten des Kanban (Just in time), von Kaizen (ständige Verbesserung) und Muda (Vermeidung von Nichtnotwendigem). Diese überzeugenden Ansätze - hervorzuheben ist das Toyota-System - fanden Eingang in die westliche Betriebspraxis unter dem Begriff des Lean Management.
Am Beispiel Japan zeigt sich im Besonderen die Bedeutung des kulturellen Kontextes für das Management, nämlich die Einstellung der Gesellschaft zu Unternehmen. Das Land hat eine ausgeprägte Homogenität. Japanische Manager sehen sich in hohem Maße als Diener ihrer Unternehmen und sind häufig auf Lebenszeit integraler Teil der Unternehmensgemeinschaft. Demzufolge haben sie keine elitäre Stellung in der Gesellschaft inne; sie sind Company men. Die Unternehmenskultur ist traditionell prägend, vor allem in den großen Zaibatsu, den Firmenkonglomeraten mit familiären Wurzeln.
Entsprechend dieser Einbindung verdienen Unternehmensleiter im Durchschnitt nur das Zwanzig- bis Dreißigfache eines Arbeiters. Das Engagement japanischer Konzerne, insbesondere von Automobilfirmen in den USA, hat keine Gehaltsanpassungen an dortige Verhältnisse ausgelöst - im Unterschied zu deutschen Unternehmen. Hohe Gehälter werden als Gier ausgelegt, Selbstbereicherung jeder Art ist in dieser kollektiv veranlagten Gesellschaft verpönt.
Ein gänzlich anderer Fall ist China mit dem vorherrschenden Staatskapitalismus. Unternehmensführung war der kommunistischen Doktrin folgend planwirtschaftlich, zentralistisch und infolgedessen auf Größe und Branchenmonopole ausgelegt. Die Öffnung des Landes in den 1990er-Jahren führte zu einer Parallelität von westlichen Betrieben, die in erster Linie den Technologietransfer vor Ort bezweckte und in einem gewissen Maße die Übernahme ausländischer Managementpraxis zur Folge hatte. Das betrifft in besonderem Maße nunmehr international tätige Konzerne wie Haier (Hausgeräte) und Huawei (Telekommunikation). Mit den Übernahmen westlicher Unternehmen werden Technologieabschöpfung und Vertriebspräsenz in den USA bzw. EU angestrebt.
Das rasante Wachstum vor allem in fortschrittlichen Branchen führte zu einer großen Nachfrage nach Fachleuten/Spezialisten, auch aus dem Ausland. Deren Gehaltsniveau ist im internationalen Vergleich Spitze. Dagegen sind die Bezüge der Unternehmensleiter bescheiden. Soweit dazu Angaben vorliegen, bewegen sie sich fast ausnahmslos noch beträchtlich unter einer Million USD. Dass hohe Managementbezüge mit der chinesischen Gesellschaftsverfassung nicht vereinbar sind, erklärt sich von selbst. Auf der anderen Seite brachte die von der politischen Führung gewollte Internet-Unabhängigkeit dynamischer Player wie Alibaba, Baidu und Tencent hervor. Deren Gründer sind Milliardäre.
Perspektiven – nach Managerismus
Managerismus lässt sich als Syndrom von Fehlentwicklungen der Unternehmensführung zusammenfassen. Auffallendstes Symptom ist die „Über“-Vergütung des Top-Managements. Seit fünfzig - in Europa im Wesentlichen seit dreißig Jahren - hat sich diese von der allgemeinen Einkommensentwicklung gelöst. Die Finanzkrise von 2008 hatte bei den Top-Managementbezügen zu einer kurzen Abbremsung geführt. Die Corona-Krise dagegen hat aller Voraussicht nach die Wucht, den Trend zu brechen. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat der Turbokapitalismus zusammen mit der Globalisierung den Zenit überschritten. Die Erwartung einer sozial ausgewogenen Wirtschaftsform ist groß. Die Wiedererneuerung der Sozialen Marktwirtschaft ist die nächstliegende wünschenswerte Option.
Befragungen von Arbeitnehmern zum „gerechten Lohn“ für das Top-Management ergaben, dass in den meisten Ländern ein Faktor von sechs genannt wurde; in einkommensmäßig besonders ausgewogenen Ländern wie Dänemark lag dieser sogar bei nur zwei. Soll eine Spaltung der Gesellschaft vermieden werden, bleibt die Verringerung des Abstandes unumgänglich.
Die Unzufriedenheit mit dem Managerismus lässt sich am Ansehensverlust des Managements vor allem in den USA und Großbritannien ablesen. Die Anzeichen, dass es zu Gegenbewegungen kommt, verdichten sich. Die sozialen und ökologischen Megaprobleme lassen sich nicht weiter in die Zukunft verschieben. Wenn Aufsichtsorgane und Management darauf nicht endlich überzeugend reagieren, wird die Politik gedrängt einzugreifen; so eine durchaus mögliche Annahme.
Verantwortungsvolle Unternehmensführung hat viele Dimensionen, ist aufs Engste mit der Glaubwürdigkeit der Akteure an der Spitze verbunden. Das verlangt, sich vom Managerismus zu verabschieden, indem Kurzfristigkeit, Bonifizierung und Kapitalmarktfixierung ganz oder zumindest in Maßen aufgegeben werden. Am Anfang eines glaubhaften Wandels muss die schwer machbare, aber umso notwendigere Beendigung der Selbstprivilegierung des Managements stehen. Ohne Eingriff des Staates wird es nicht gehen.
Manfred Hoefle, Juni 2020
Anmerkungen
(1) Taylor, Frederick W,: Scientific Management, New York: Harper & Row, 1911, Reprint New York: Harper and Brothers, 1947.
(2) Für den Taylorismus hat sich auch die Bezeichnung „Scientific Management“ eingebürgert.
(3) Die moderne Aktiengesellschaft ist Folge industrieller Konzentration und der dazu notwendigen Bereitstellung von Kapital von vielen Gebern; sie wird zu einer anonymen Gesellschaft. Siehe dazu Berle/Means „Modern Corporation and Private Property“;;.Darin wurde die These vertreten, dass sich Kapitalgesellschaften („Corporations“) zur überwiegenden Organisationsform der modernen Gesellschaft entwickeln werden.
(4) Galbraith, Kenneth, J., Die Ökonomie des unschuldigen Betruges - Vom Realitätsverlust der heutigen Wirtschaft, Siedler, Berlin 2005.
(5) Diese Beobachtung bestätigte Warren Buffet, der wohl beste Kenner der Boardroom-Praxis.
(6) Drucker Peter, F.: siehe v.a. Management, New York, Harper & Row, 1974 und The Essential Drucker, HarperCollins, 2000.
(7) Finanzialisierung bedeutet großer Einfluss der Kapitalmärkte auf die Unternehmensführung, extensive Incentivierung (Boni), eine starke Stellung von Finanzinstitutionen und der zugehörigen Eliten. Direkter Indikator ist ein hoher Gewinnanteil aus Finanzgeschäften und nicht aus der Herstellung von Gütern und der Erbringung nichtfinanzieller Dienstleistungen.
(8) Siehe dazu: Denkschrift Nr. 21: Die Wucherung des Parabusiness; https://www.managerismus.com/themen/arbeitswelt-bwl-consulting/denkschrift-nr-21
(9) Siehe dazu Denkschrift Nr. 34: Warum viele Dax-Unternehmen schwach abschneiden https://www.managerismus.com/themen/managerismus/denkschrift-nr-34