Unternehmen & Branchen
Denkschrift Nr. 29
20.06.2018

GE – eine lange Geschichte manageristischer Hybris

von Manfred Hoefle

 

 

Dieser Beitrag ist eine Abrechnung mit dem Managerismus, für den General Electric (GE) als Ikone steht. Im Mittelpunkt der Kritik steht eine ausschließlich am Kapitalmarkt ausgerichtete Unternehmensführung, die mehr als ein Vierteljahrhundert eine unheilvolle, breite Nachahmung erfuhr.

 

„Tricksen, Täuschen Tarnen“. Unter diesem Titel traute sich das manager magazin im Juni-Heft diesen Jahres (2018) zum ersten Mal einen ernüchternden Report über den Konzern zu, der noch 8/2012 als „Turbo Leader GE“ bejubelt, Siemens penetrant als Benchmark vorgehalten wurde, der im Begriffe sei, Perlen des deutschen Mittelstandes einzusammeln.(1) Jetzt heißt es bedauernd: „Der Industrie-konzern war einmal Vorbild für ganze Managergenerationen. Wer nach Gründen für seinen Absturz sucht, findet skandalöse Finanzschiebereien und eine verdorbene Unternehmenskultur.“ Und weiter: „Der Fall ist einzigartig in der US-Wirtschaftsgeschichte.“

Warum kommt diese Erkenntnis so spät? Hat nicht der Economist schon vor 16 Jahren gemutmaßt, dass die glamourösen Zeiten für GE wohl zu Ende gehen? („The Jack and Jeff-Show loses it’s lustre“, May 2002).(2) Was sonderbar ist: Angeblich umfassend recherchierende Magazine wie das mm oder Der Spiegel gelangten zu keinen Einblicken in die wahren („verdorbenen“) Verhältnisse. GE war es immerhin vergönnt, ein Vierteljahrhundert das am meisten bewunderte Unternehmen der Welt zu sein.

Vorgeblich vorbildliche Praktiken

Kurz vor der Ära (1981-2000) von John Francis „Jack“ Welch machte GE mit einem von Business Schools und Strategieberatern favorisierten neuen Managementkonzept Schule, dem Portfolio-Management. Grundüberlegung war, dass dem CEO zukünftig die eminente Rolle zukommen soll, die vielen Geschäftsfelder (Business Units) strategisch zu klassifizieren und sie dementsprechend zu managen. Kein ähnlich großes Unternehmen hat das so konsequent umgesetzt wie GE. Zwischen 1981-2017 wurde mehr als der Gesamtumsatz von zurzeit (2017) 123 Mrd. USD über Käufe und Verkäufe (M&A) ausgetauscht. Welch‘s Forderung, nur noch Geschäfte mit Nr. 1 or 2- Marktposition zu dulden, wurde rigoros umgesetzt. Über 400 Unternehmen wurden gekauft, fast 1000 Geschäfte, Betriebe verkauft, unter seinem Nachfolger Jeffrey Immelt (2001-2017) wurden weitere 100 eingesammelt, darunter viele Bankgeschäfte, aber auch große Verkäufe wurden getätigt: CNBC 1986 akquiriert, 2009/2013 desinvestiert), GE Plastics 2007 an die saudische Sabic, 2016 ein Großteil der Assets von GE Capital für 157 Mrd. USD, das klassische Hausgerätegeschäft 2017 an Haier/China.

Unter dem jetzigen CEO, John L. Flannery sind weitere Verkäufe/Spin-offs in der Größenordnung von 20 Mrd USD geplant. Traditionsgebiete wie Lokomotiven sind davon betroffen, sogar die Lampensparte (Thomas A. Edisons-Erfindung und die Wiege von GE), IT-Systeme, Distributed Power Systems. Und das wird nicht das Ende der Transaktionen sein.

Mit all den Transaktionen mutierte GE vom traditionsreichsten US-Industriekonzern zu einem gigantischen Private-Equity-Haus. Dass GE in Anbetracht der reklamierten und allseits zugebilligten Managementkompetenz in keinem einzigen großen Industriegeschäft einen Turn-around geschafft hat, ist bemerkenswert. Kurz: Alles, was schlecht lief, wurde nicht saniert, sondern meistens abgestoßen.

GE steht für Financialisation, worunter die Umformung eines produzierenden Unternehmens in ein Cash flow-/Gewinn-/Kapitalisierungsobjekt verstanden wird. Welch hat sich als Herold des Shareholder Value-Konzepts gesehen und folgerichtig danach gehandelt.(3) Für diesen später in Mode gekommenen Ansatz ist die Verringerung der Kapitalintensität, die Reduktion des Zukunftsaufwandes (hauptsächlich FuE), die extensive Verlagerung von Fertigungen (Outsourcing und Offshoring) an Billigstandorte charakteristisch. Eine herausragende Rolle wurde alsbald dem Finanzgeschäft zugewiesen, angefangen mit dem Einstieg in die Investmentbank Kidder Peabody. Der Zuwachs war selbst für die Wall Street beeindruckend: GE war 2007 die größte Non Banking Financial Institution der USA: größter Ausleiher kurzfristiger Schuldverschreibungen (Commercial Papers) und größter Ausreicher von Commercial Real Estate Krediten. Ein Jahr später musste GE mit Staatsgarantien von 60 Mrd. USD solvent gehalten werden. Eine Liquiditätsspritze über 3 Mrd. USD von Warren Buffet verhalf GE zur Überwindung des für unmöglich gehaltenen GAUs. Was folgte, war schwerwiegend: der Verlust des AAA-Ratings und die Einstufung als „systemisches“ Finanzunternehmen (SIFI). GE war völlig unerwartet ein Fall von Too big To Fail (TBTF).

Einzigartige Meisterschaft errang das Konglomerat beim Earnings-Management. Zur Verwunderung vieler Beobachter wurden Umsatz und Gewinn 18 Jahre lang Quartal für Quartal gesteigert - und dabei die Erwartungen des Kapitalmarktes stets übertroffen. Diese nachgerade unheimliche Konstanz hatte, wie es sich erst spät herausstellte, ihren Schlüssel in der absichtsvollen Verschleierung interner Geldflüsse. GE firmierte zwar als Industrieunternehmen und unterlag demzufolge bei GE Capital einer wesentlich geringeren Publizität als der von Banken, die ein Cash-Balancing ermöglichte. Mit dieser Taktik wurden zum Zeitpunkt der Quartalsberichterstattung „geglättete“ Ergebnisse ausgewiesen. Nicht zu vergessen: Eine von GE ausbedungene Abweichung in der Rechnungslegungspraxis nach US-GAAP erweiterte den Spielraum für Ergebnismanipulation.

GE glänzte in der Vermeidung von Steuern. Seit Welch’s Regiment zahlte der Koloss praktisch keine Steuern. Ohne auf einzelne Finessen einzugehen, soll der Hinweis genügen, dass sich GE mit zeitweise 900 Mitarbeitern die mit Abstand größte Steuerabteilung eines Konzerns weltweit leistete.

Zuletzt: Mehr oder weniger vergessen sind die GE angelasteten Criminal Acts. In der Anfangszeit waren diese das Unterlaufen des Irak-Boykotts und die Übervorteilung des US-Verteidigungsministeriums im Zusammenhang eines Raketenprogramms. Korruption in dafür bekannten Ländern wurde durch die Geschäftsabwicklung über unabhängige Distributoren umgangen.(4) Vergessen gemacht wurden die Umweltskandale, vor allem die Verschmutzung des Hudson mit PCB, bei denen GE alles unternahm, sich der Verantwortung zu entledigen und keine Entschädigung zu zahlen.(5)

Höchste Ansprüche und grosse Versprechungen

„Meritocracy, dignity, simplicity, speed, hatred of bureaucracy” waren die vorgeblich fundamentalen, von Welch propagierten Werte. Wie widersprüchlich diese Deklaration ist, lässt sich am Begriff „dignity“ (Würde) festmachen. Zu seiner Zeit wurden 10 Prozent der Belegschaft, „lemons“ genannt, das heißt per definitionem Minderleister, die es galt loszuwerden. Es findet sich wohl kaum jemand, der diese Praxis mit Würde verbindet. Neulich klagte der Nachfolger von Immelt über die Komplexität, die GE geschadet habe und dass es nun darum ginge, GE kleiner und einfacher zu machen. Wo war bloß die „simplicity“ von früher geblieben? Doch das Bekenntnis zu den „Welch-Werten“ hat dem Kapitalmarkt immer imponiert.

GE galt als Hort der Management-Ausbildung, als Premier Management Campus,(6) der einen Überschuss an kompetenten Managern produzierte. Das Ausbildungskonzept war im Wesentlichen eine Kopie der Harvard Business School mit der Grundausrichtung auf den General Manager, der wie das Adjektiv impliziert, alles „managen“ können soll, und den Case Studies. Dieses Role Model kommt allerdings einer Geringschätzung von Erfahrungswissen und Kreativität und einer Missachtung der menschlichen Seite eines Unternehmens gleich, die Grundlagen für einen dauerhaften Erfolg sind. GE wurde ein MBA-dominiertes Unternehmen, der Anteil der Ingenieure in den oberen Führungsebenen war auf fünf Prozent geschrumpft. Spät versuchte Immelt unter dem Motto „deep, not wide“ diese Einseitigkeit zu korrigieren.

Die GE lange nachgesagte Management-Exzellenz hat ein negatives Korrelat im Abschneiden ehemaliger CEO-Anwärter in ihren neuen Jobs: Gary Wendt, der Überflieger von GE Capital (Conseco), Paolo Fresco (Fiat) und Robert Nardelli (Home Depot), alle scheiterten in der einen oder anderen Weise (7). In den USA wurde der prominenteste Welch-Adept Dennis Kozlowski, CEO von Tyco, der kriminellen Geschäftsführung überführt. In Deutschland katapultierte sich der bekennende Anhänger des „Welchism“, Jürgen Schrempp, Chef von Daimler ins Abseits und Klaus Kleinfeld von Siemens hatte mit der nachempfundenen „Toughness“ keinen Erfolg.

GE legte großen Wert darauf, als integere Company wahrgenommen zu werden. Ben W. Heilman Jr., langjähriger Chefsyndikus, pries in seinem Buch mit dem Titel „High Performance with High Integrity – Memo to the CEO“ (2008) die einzigartige Symbiose von Leistungskultur und Anstand.(8)

Das Unternehmen wartete unter Immelt mit groß angekündigten Initiativen auf: zuerst mit „Imagination“, mit der ein unternehmensweiter starker unternehmerischer Impuls zu neuen Wachstumsgeschäften ausgelöst werden sollte, dann mit der abgewandelten „Ecoimagination“-Initiative, die einen Schub innovativer „Clean Technology“ bringen sollte.(9) Die vorletzte Erneuerung von GE sollte mit der Hinwendung zu Software gelingen. Dass Immelt erst 2009 die Bedeutung von Software für die angestammten Hardware-Geschäfte erkannt hat („we need to be in Software“), darf unter „verspätete Einsicht“ gebucht werden. Umso dynamischer sollte der „software turn“ aus eigener Kraft ausfallen. Mit einem Milliarden-Einsatz in Silicon Valley sollte der Aufbruch gelingen. Vollmundig wurde das Versprechen ausgegeben, GE bis 2020 unter die 10 größten Software-Unternehmen weltweit zu hieven.(10) Mit der völlig neuen Industrieplattform Predix, als Standard des „Internet of Big Things“ gedacht, will GE den Durchbruch schaffen. Der bisherige Fortschritt lässt jedoch ein langsames Scheitern erwarten.

Zuletzt sprach Immelt immer eindringlicher von der Transformation zu einem „124-old Startup“. Dazu verhelfen sollte die vom Silicon Valley abgeschaute Managementpraktik „FastWorks“(11), die auf schnelles Ausprobieren angelegt ist und weniger auf Gründlichkeit – und das bei Turbinen!

Zur Erinnerung an unerfüllte Versprechen sollen schließlich die beiden folgenden Aussagen dienen. Noch 1999 stellte Welch ein jährliches Umsatz- und Gewinnwachstum von 18 % in Aussicht, unmittelbar vor der geplanten, aber durch die Europäische Kommission verhinderten, 40 Mrd. USD-Übernahme von Honeywell.(12) Schlichte Arithmetik besagt, dass das eine Verdopplung der Ergebnisse in vier Jahren bedeutet, also einen Umsatz von rund 250 Mrd. USD in 2003, was offensichtlich eine unglaubwürdige, nicht haltbare Projektion war. Und Immelt bekräftigte zu Beginn seiner Zeit: „What I will say is that GE will always outperfom any market we are in.” Solch eine Selbstgewissheit ist mehr als bemerkenswert.

Bittere Realitäten

An dieser Stelle sollen wenige Fakten genügen. GE war 2001 das wertvollste Unternehmen der Welt mit einer Marktkapitalisierung von rund 500 Mrd USD und einem Price-Earnings-Multiple von 50. Im ersten Quartal 2018 betrug die Kapitalisierung ein Achtel der von Apple. Der Kurs von GE fiel vom damaligen All-time High von 60 USD auf aktuell 12 USD.(13) Während der S&P-Index im letzten Jahr (2017) um 40% stieg, verlor die GE-Aktie 43 %. GE wird Ende Juni 2018 nicht mehr im S&P Dow Jones gelistet sein.

Die Rentabilität der unter Immelt vollzogenen Akquisitionen wird auf die Hälfte der von ETFs for Mutual Funds geschätzt; unter Einbeziehung der letzten Großakquisition von Alstom ist bestenfalls ein Nullsummenspiel anzunehmen.(14)

Der Fluch imperialer Ceos

Welch‘s Berufsziel war, CEO von GE zu werden. Bescheiden gab er sich als „Infanterist“ aus, verstand sich aber selbsgewiss zum Commander des weltgrößten Unternehmens berufen und tat auch noch alles, um „Management-Hero of the World“ zu werden. Selbstmarketing wurde zur Grundhaltung.(15) 

Wenn man Großes will, müssen große Schritte gemacht werden. Diese bestanden in den eingangs erwähnten Umschichtungen des Geschäftes in Richtung eines Cashflow-stabilen konglomeraten Konzerns, was die Ausweitung des Unternehmensportfolios in Richtung Banking, Unterhaltung und den Ausbau der Service-Aktivitäten nach sich zog. Aufmerksamkeit erzeugte Welch mit einer damals unerhörten Entschlossenheit, die sich in der Entlassung rund eines Viertels der Belegschaft offenbarte und ihm die ambivalente Bezeichnung Neutron Jack eintrug. Welch wollte auch als Meister des operativen Managements gesehen werden. Der vielgepriesene Six Sigma-Qualitätsansatz war das geeignete Vehikel dazu, zumal es sich noch als verbrämtes Personalabbauinstrument eignete. Der auf dauernden, allseitigen Wettbewerb gebürstete Welch verfolgte darüber hinaus mit der 20-70-10-Regel (16) ein darwinistisches Prinzip der Mitarbeiterführung. In der Rekrutierung bevorzugte er B-Absolventen und Militärangehörige, weil er - von sich schließend - ihnen einen großen Aufstiegswillen zusprach. Die ehedem dezentral geführte GE erlebte eine starke Zentralisierung (11 Business Lines, 3 Groups). Vormals angesammelte (stille) Reserven wurden stillschweigend aufgelöst, Mittel für Forschung und Entwicklung auf 3 % v.U. herunter gefahren.

Mit Welch kehrte eine am Kapitalmarkt wohlwollend aufgenommene Größensucht ein. GE sollte unter seiner Herrschaft ‚das‘ Unternehmen der Welt werden. Immelt dagegen wollte als Innovator, „Transformator“ und „Statesman“ in Erscheinung treten. In Deutschland, Indien und China wurden FuE-Zentren eingerichtet, um vermehrt Wachstum auf Basis von Innovationen zu generieren. Das Geschäft von GE wurde verstärkt internationalisiert mit Schwerpunkt auf Deutschland und China. Ausgerechnet Immelt sollte als wichtigster Wirtschaftsberater von Obama sich um die Vermehrung industrieller Jobs in den USA sorgen.

Zweifelsohne war Immelt’s Auftrag, GE erfolgreich in die Zukunft zu führen, ungleich schwieriger als die Verschlankung und Umgestaltung durch Welch davor. Diese Einsicht verleitete ihn zu der süffisanten Bemerkung, dass „in den 1990er-Jahren sogar ein deutscher Schäferhund GE hätte managen können“. Knapp zwei Jahre vor Vertragsende trat Immelt allem Anschein nach unfreiwillig zurück.

Beiden CEO’s haften denkwürdige Ereignisse an: Welch das exorbitante Pension Package mit Vergünstigungen für Wohnsitz, Flugdienst, Stammplätze bei Sportveranstaltungen bis zum persönlichen PC-Support; bei Immelt der langjährige Einsatz einer Spare aircraft bei seinen Auslandsreisen. Pikant war die langgehegte Vertraulichkeit um diese Vorkommnisse und ihre beiläufige Aufdeckung. Beiden gemeinsam waren eine ausgesprochen geschickte Kommunikation mit dem Kapitalmarkt und ein souveräner Umgang mit den Business Media.

Nachfolger von Immelt, John L. Flannery, ist ein altgedienter Finance Man, dem der Ruf eines „Fixers“ vorausgeht. Auf ihn wartet eine schwierige Zeit, nämlich der Zwang zum unausweichlichen Kassensturz. Umfangreiche Verkäufe sind bereits angekündigt. Obendrein kam es zu bösen Überraschungen, nämlich einer Pensionslücke von 31 Mrd. USD und unzureichenden Rückstellungen im (verkauften)Lebensversicherungsgeschäft von rund 6 Mrd. USD, denen beizukommen ist. 

Durchwachsene Perspektiven

Um in ein Bild zu wechseln: Eine reich ausgestattete Limousine wurde von Welch in ein Sportauto umgebaut, „frisiert“ und ständig hochtourig gefahren, worauf sich mit Immelt am Steuer die Ausfälle häuften. Schließlich musste das Fahrzeug zur Generalüberholung in die Werkstatt.

Was bei dieser groben Diagnose von GE fehlte, war die chronische Vernachlässigung von Innovation, die sich darin zeigt, dass das Unternehmen, das noch in den 1960er-Jahren der größte Patenanmelder der USA war, auf eine Position jenseits von 50 weltweit abfiel. Dass GE in dem hier betrachteten Zeitraum keine einzige nennenswerte Innovation zustande brachte, schließlich die Bedeutung der Digitalisierung erst vor 10 Jahren erfasste, ergänzt das missliche Bild.

Nach dem Dafürhalten von mit GE Vertrauten verengen sich die strategischen Optionen auf die Rückführung auf den Bau und Service von Kraftwerken mit Turbinen als wesentlichem Lieferanteil, die Herstellung und den Betrieb von Flugzeug-Triebwerken. Das Medizintechnik-Geschäft wird aller Voraussicht verselbständigt und ggfs. an die Börse gebracht. Der Mehrheitsanteil an dem erst vor einem Jahr in das Gemeinschaftsunternehmen Baker Hughes eingebrachte „Öl-und Gasgeschäft“, steht zum Verkauf an. Insgesamt läuft der Prozess auf eine dramatische (Gesund-) Schrumpfung hinaus.

Managerismus als Warnung

Der zu den S&P-Gründungsmitgliedern zählende Traditionskonzern ist zu einem ausgelaugten und vom Kapitalmarkt geschundenen Konglomerat verkommen. Noch ist die GE-Aktie das am breitesten gehaltene Dividendenpapier, das zu einem großen Teil von Pensionsfonds gehalten wird. Aktuell wir die Dividende nach der Finanzkrise von 2008 erneut halbiert. Das vor drei Jahren aufgelegte Aktien-Rückkaufprogramm über 49 Mrd. USD hat seinen wenig beachteten Anteil daran.

GE hat den primären Zweck eines Unternehmens, nämlich Geschäft zum Vorteil der Kunden, zum Nutzen der Mitarbeiter und als Beitrag zum Gemeinwohl zu betreiben, in eine „Wachstums- und Gewinnmaschine“ verkehrt. Das Premium Conglomerate hat lange große Versprechungen gebrochen. Nach den Manipulationen steht GE als unredliches, unglaubwürdiges Unternehmen da. GE darf unpatriotisch genannt werden, weil kaum Steuern entrichtet wurden, obwohl es sich vom Staat aus der Liquiditätskrise retten ließ und davor zehntausende US-Arbeitsplätze vernichtet hatte. In verantwortungsloser Weise hat GE als schlechtes Beispiel zur Deindustrialisierung der USA beigetragen. Mit seinem von Analysten, Investmentbankern und Fondsmanagern gelobten Investor Capitalism wurde das Vertrauen in den Kapitalismus grob beschädigt.

Als Vorbild für exzellente Unternehmensführung hat GE längst ausgedient. Die von Business Schools, Management-Gurus und Business Media belobigten GE-Praktiken haben sich als nicht nahhaltig erwiesen; in jüngerer Vergangenheit wurden sie von GE schlicht aufgegeben und deren Korrektur als große Neuerung ausgegeben.

GE hat sich in die unrühmliche Reihe der Konzerne eingereiht, die an ihrer Wachstums- und Gewinnsucht gescheitert sind. Die herausragenden Fälle waren IT&T in den 1980er-Jahren und Enron um die Jahrhundertwende.(17)

General Electric (GE) ist Beleg dafür, dass Managerismus langfristig geschäftsschwächend und darüber hinaus gesellschaftsschädigend ist.

Manfred Hoefle, 21. Juni 2018

 

Quellen: Wegen der Vielzahl verwendeter Quellen wurde auf Einzelnachweise verzichtet. Als Quellen dienten Business Week, Forbes, Fortune, New York Times, Wall Street Journal, Harvard Business Review, Bloomington, Economist und weitere in früheren Beiträgen genannte Bücher. Der Verfasser ist seit Mitte der 1980er-Jahre aufmerksamer „GE-Watcher“.

 

Anmerkungen

(1) Dekuvrierend war: Im nächsten mm-Heft (9/2012) startete GE eine große PR-Kampagne unter dem Slogan „GE in Germany“.
(2) Unter Managerismus.com gab es seit 2010 mehrere kritische Einschätzungen von GE und deutliche Kritik an der Glorifizierung amerikanischer Managementkultur (im Stile von GE); siehe dazu v.a. „Das große (falsche) Vorbild General Electric“. Gegenüber GE erlag die deutsche Wirtschaftspresse dem sogenannten Halo-Effekt , währenddessen dem Konkurrenten Siemens gegenüber große Skepsis vorherrschte. Eine Abwertung heimischer Unternehmen ist in der amerikanischen Presse unüblich.
(3) Spät nach seinem Ausscheiden bekannte der angeblich beste Manager des Jahrhunderts (Forbes), dass Shareholder Value die „dümmste Idee“ gewesen sei. 
(4) Diese Konstruktion unterschied sich von der korruptionsanfälligen von Siemens mit konzerneigenen Ländererpräsentanzen.
(5) Siehe dazu: Denkzettel Nr. 12: Ecomagination at Work – at GE?
(6) Crotonville wurde zum Synonym für den besten Company Campus und zum Vorbild mancher „Corporate Universities“. Zwei Details: Zentrum des Komplexes bildete das „Pit“ (die Grube), der fensterlose Hörsaal, in dem Welch dozierte. Höhepunkt der Veranstaltungen war der mit Helikopter eingeflogene „Jack“.
(7) James McNerney (3M, Boeing) ist bedingt eine Ausnahme.
(8) Dabei fehlte nicht der Verweis auf die Unzulänglichkeit von Siemens und anderen.
(9) Der eigendefinierte Anteil (einschl. Kernkraftgeschäft und neue Flugzeugturbinen) betrug 20 %.
(10) Der für 2015 ausgegebene Software-Umsatz von 5 Mrd. USD von GE erscheint ähnlich überhöht wie der von „Clean Technology“ davor.
(11) Die Harvard Business Review berichtete im April 2014 unter “How GE Applies Lean Startup Practices”: “GE has responded to this drive for speed and need to align more closely with customers’ needs by using a new technique called “FastWorks.” It’s a framework for entrepreneurs, building on “The Lean Startup” by Eric Ries. The Lean Startup is an approach to developing new products that came out of “Agile” software development, with “sprints” (quick deliverables) and fast learning. It’s now being tried in manufacturing since GE and others believe that rapid learning cycles with customers will reduce the risk that you build something you can’t sell.”
(12) Honeywell „performte“ dagegen eindrucksvoll. 
(13) Den absoluten Tiefpunkt verzeichnete die Aktie nach dem Finanzcrash mit 6 USD/Aktie.
(14) Diese im Wettbewerb mit Siemens vorangetriebene Akquisition erweist sich als grober strategischer Fehler wegen der damals schon absehbaren Überkapazitäten auf dem Weltmarkt, des überhöhten Kaufpreises und der eingegangenen Verpflichtungen. 
(15) Dabei behilflich war seine 3. Frau, Suzy, HBS-Absolventin, ehemalige Redakteurin der Harvard Business Review, Bestseller-Autorin. Gemeinsam verfassten sie die beiden Business-Book-Bestseller Winning (2005) und The Real Life MBA (2015).
(16) Der Regel liegt die Überlegung zugrunde, die besten 20 Prozent überdurchschnittlich zu be-/entlohnen, die große Mehrheit zu fördern und zu fordern und die „schlechten“ 10 Prozent zu entlassen.
(17) ITT (vormals IT&T) war der von Harold Geneen hauptsächlich über Leveraged Buyouts gewachsene Parade-Mischkonzern (Verzehnfachung des Umsatzes in 10 Jahren). Enron, der bekannteste, vor allem von McKinsey beratene Energy Trader & Supplier wurde von 1995 an sechs Jahre lang als „Americas Most Innovative Company“ geführt. Nach Aufdeckung zahlreicher krimineller Bilanztricks ging Enron Ende 2001 überraschend in Konkurs.