Governance & Compliance
Denkzettel Nr. 29
03.12.2013

Aufsichtsrat - Ungereimtheiten der Arbeitnehmervertretung

von Manfred Hoefle / Armin Sorg

 

 

Ein in der Öffentlichkeit und auch für viele „Siemensianer" Unbekannter wurde unversehens zu einer öffentlichen Figur. Lothar Adler, vom Beruf Fernsehtechniker, seit 1988 Betriebsrat, ab 2008 Gesamtbetriebsratsvorsitzender, fiel zum ersten Mal auf, als er im Frühjahr 2013 überraschend einen Kulturwandel bei Siemens forderte. Ein Jahr davor verwahrte er sich dagegen, mit einem solchen Ansinnen wie im Denkzettel Nr. 24 (Zeitenwende bei Siemens - Manageristisch gesteuert oder unternehmerisch geführt?) ausgeführt - überhaupt behelligt zu werden. Vor Kurzem drang etwas über seine außerordentliche Honorierung durch: 300 000 Euro, aufgeteilt in 180 Tausend fix und 120 Tausend variabel. Das entspricht einem Einkommen, das rund ein Viertel höher ist als das der Bundeskanzlerin und das noch über den 260 000 Euro des IG-Metall-Vorsitzenden Berthold Huber liegt.(1) Ist die Höhe an sich schon mehr als bemerkenswert, so sind die Umstände des Zustandekommens dieses „Verdienstes" mehr als merkwürdig: ein Einkommenssprung um ein Drittel kurz nach Beschluss eines großen Mitarbeiterabbaus im Juli 2008 und nach seiner Wahl zum GBR-Vorsitzenden im November. Schon immer gab es freie Wohnung mit Putzfrau; eine Generosität, in deren Genuss gewöhnliche Mitarbeiter nicht kommen.

All dies wäre verborgen geblieben, hätte Adler nicht noch auf eine Verlängerung seiner Anstellung über 65 hinaus gedrängt, zu einer Zeit, in der andere in großer Zahl in die Frühpensionierung geschickt werden. Der zuständige Personalvorstand, Brigitte Ederer, verwehrte ihm jedoch den „goldenen" Abschluss der Bilderbuch- Funktionärskarriere. Im Zuge des Revirements an der Siemensspitze, von Peter Löscher zu Joe Kaeser, schied sie aus und hinterließ viele Fragen zur Rolle der Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat, nicht nur bei Siemens. Nach langem Zögern ließ Adler von seinem Ansinnen ab.

Der stille Drang zu Vermachtung und Kollusion (2)

Vermachtung klingt polemisch-politisch, ausgreifend. Doch Vermachtung bezieht sich auf wenige Konzerne: angefangen bei Daimler,(3) wiederholt der Leitbetrieb für den Pilotabschluss in der Metallbranche, Thyssen-Krupp, geschäftlich kriselnd und Problemfall in Sachen Governance, aber sorgsam gepflegte IG-Metall-Bastion in NRW(4) und Siemens mit den vielen Werken und Betrieben im ganzen Bundesgebiet.

Die IG Metall ist in der Tat eine Macht. Mit 2,3 Millionen Mitgliedern ist sie die größte deutsche Einzelgewerkschaft; sie ist sogar die größte Gewerkschaft weltweit. Die IG Metall sitzt mit 2.500 Vertretern in deutschen Aufsichtsräten. Diese Größe hat es an und in sich, dass beim Gegenüber nur die Großen zählen; die kleineren und kleinen Unternehmen werden „eingesammelt" und im Tross mitgenommen. Das Mitbestimmungsgesetz mit der Paritätischen Mitbestimmung (ab einer Belegschaftsgröße von 2000) verschafft den deutschen Gewerkschaften eine Machtfülle, die virtuos eingesetzt wird. Allein das Beispiel VW sprach und spricht Bände. Der informelle, der latente und der tatsächliche Einfluss sind enorm, auf jeden Fall bedeutend größer als der Öffentlichkeit bewusst. Übersehen wird, dass die Paritätische Mitbestimmung ein nur historisch erklärbarer Sonderfall der Arbeitnehmervertretung, weltweit ein Unikat ist. Nicht einmal die in Sachen Arbeitnehmerinteressen und Zivilgesellschaft vorbildlichen skandinavischen Länder kennen eine solche Regelung.

Und was meint Kollusion in diesem Zusammenhang? Hier geht es nicht um ein rechtlich zu beanstandendes Zusammenspiel von Vorstand mit der Arbeitnehmerseite, vielmehr um einen insgeheimen Interessensabgleich zwischen Management und Gewerkschaft, um einen nicht fairen Interessensausgleich zwischen allen Stakeholdern (Kunden, Mitarbeitern, Eignern, Lieferanten, Gemeinschaft/Gesellschaft). So ist das bisher fehlende bzw. zögerliche Eintreten der Gewerkschaften für Produktivlöhne und Mitarbeiterbeteiligungsmodelle ist nur mit dem Eigeninteresse einer IG-Metall-Mitgliedschaft zu erklären.

Wo und wie zeigen sich die Unausgewogenheiten?

Fünf Ungereimtheiten in der Praxis der Paritätischen Mitbestimmung

1. Sonderinteresse der Gewerkschaften bei Großunternehmen

Der Widerspruch Kapital versus Arbeit ist eine historische Hypothek. Begründet war sie wegen des weit verbreiteten abschöpfenden Wirtschaftens der Kapitalseite und eines gebotenen Gegengewichts durch eine organisierte Arbeiterschaft; dies galt hauptsächlich für die Zeit vor der Einführung der Sozialen Marktwirtschaft in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Das Fehlen einer grundsätzlichen Übereinkunft der Stakeholder zum Unternehmensinteresse wirkte in vielen Großunternehmen bzw. Publikumsgesellschaften lange nach (übrigens kaum in Familien- und Stiftungsunternehmen). Die konfrontative Einstellung der IG Metall hat sich zuletzt unter Berthold Huberetwas abgemildert. Zentralistisch organisiert und machtorientiert überlässt sie die Interessensvertretung im Aufsichtsrat nicht den Betriebsräten; sie besteht immer noch auf der Entsendung von Mitgliedern aus der IG-Metall-Zentrale in Frankfurt in die „strategischen" Unternehmen. Bei den Betriebsratswahlen im Herbst 2012 wurde der langjährige Vertrauensmann des Sektors Energy von Siemens, Hans-Jürgen Hartung, von der IG-Metall-Leitung glatt übergangen. Statt seiner, ein von (nur) zwei Erlangern, wurde ein aus NRW stammender Gewährsmann aufgestellt. Der angesehene Hartung machte dann die Wahl, wie fünf Jahre zuvor, als er über eine Kampfabstimmung in den Aufsichtsrat eingezogen war; eine Ausnahme, dass ein vertrauensvoller Betriebsrat und nicht ein Gefolgsmann zum Zuge kam.

Die weisungsgebundenen Gewerkschaftsvertreter tragen Partikularinteressen in die Unternehmen hinein und üben einen nicht unbeträchtlichen Verpflichtungsdruck auf die Betriebsräte der Unternehmen aus.(5) Der entsandte IG-Metall-Spitzenmann, in der Regel der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende, ist in den wichtigsten Ausschüssen vertreten. In einzelnen Fällen geriert er sich wie ein Schatten-CEO, der sich vor allem bei Vorstandsbesetzungen, Standortfragen, Zeitmodellen und Arbeitsplatzgarantien mit Nachdruck einmischt. Bei einem Organisationsgrad über 90 Prozent in der Automobilindustrie (bei VW 97 Prozent) ist solch ein Co-Management nachvollziehbar, dennoch nicht zu billigen. Gerade bei der Zusicherung auf den Verzicht betriebsbedingter Kündigungen vermischt sich so manches mit Vorstandsangelegenheiten.

Ist es nicht eigenartig, dass sich alle Exzesse bei Vorstandsvergütungen in DAX-Unternehmen unter den Augen der Gewerkschaften, der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ereigneten, denen angeblich sonst nichts entgeht? Bei diesem Thema wird reflexhaft die unbedingte Vertraulichkeit vorgeschoben, die sonst nicht so streng gehandhabt wird, und die sowieso schwache Stellung der Arbeitnehmer in dieser Sache beklagt. Da mag die Frage angebracht sein, warum in den skandinavischen Ländern die Vorstandsvergütung bisher relativ vorbildlich gelöst wurde, obwohl es dort keine so starke Vertretung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat gibt.(6)

Eine andere Erfahrung: Zu häufig wurden wichtige und dringende Zukunftsfragen zu spät erkannt und es wurde zu lange abgewartet, wenn drastische Personaleingriffe unumgänglich gewesen wären; man denke nur an den Niedergang der Kommunikationstechnik und den Ausstieg von Siemens mit der Abgabe an Nokia.

Obwohl erklärtermaßen das Unternehmenswohl im Zentrum aller Überlegungen des Aufsichtsrates stehen soll, ist es bis heute zu keinen konstruktiv angelegten Gesprächsformen gekommen. Nach wie vor werden Sitzungen in getrennter Formation vorbereitet.(7) Statt Informationen auszutauschen – mit Ausnahme des vollzeitigen Aufsichtsratsvorsitzenden ist die Arbeitnehmerseite als Quasi-Insider besser als die Kapitalseite informiert - laufen die Sitzungen immer noch ritualisiert ab.

2. Ungleiche Interessensvertretung

Die inländische Siemens-Belegschaft gehört nur zu 27 Prozent der IG Metall an; eine so niedrige Zahl, dass sie von der örtlichen Gewerkschaftsleitung zum „Betriebsgeheimnis" deklariert wurde! Mit Ausnahme des Leitenden nimmt die IG Metall aber zurzeit alle Arbeitnehmersitze im Aufsichtsrat ein. Man halte sich vor Augen: Mit nicht einmal neun Prozent der Belegschaft - der Inlandsanteil der Beschäftigten beträgt nur mehr 32 Prozent nach 62 Prozent vor zwanzig Jahren - beansprucht die IG Metall quasi die Alleinvertretung aller Arbeitnehmer. Demokratische Verhältnisse stellt man sich etwas anders vor. Die ausländischen Mitarbeiter-/innen sind nur durch ein von der IG Metall „mitbestimmtes" europäisches Mitglied im Aufsichtsrat präsent.

Eine weitere Ungleichheit ist das Übergewicht der Nichttechniker und der Gewerblichen Mitarbeiter bzw. Verwaltungsangestellten. In dem größten Technologieunternehmen Europas ist kein einziger Ingenieur/Ingenieurin/Informatiker(in) im Aufsichtsrat; vier haben einen Facharbeiterhintergrund. Diese Unverhältnismäßigkeit ist vor dem Hintergrund einer schon lange im Gang befindlichen Verschiebung in der Zusammensetzung der inländischen Belegschaft von Siemens: Der Anteil der Hochschulabsolventen ist von 16 Prozent im Jahr 1980 auf nunmehr 37 Prozent angestiegen.

Die Überrepräsentanz der inländischen Arbeitnehmervertretung mit gewerblicher Ausrichtung wird in den Sitzungen spürbar, wenn Englisch sprechende Aufsichtsräte der Kapitalseite nicht ausreichend verstanden werden und somit ein fruchtbarer Dialog praktisch nicht möglich ist. Die Gesprächsfähigkeit in einem Weltkonzern ist ein unterschätztes, durchaus ernst zu nehmendes Problem.

3. Vergütung und Privilegien der Spitze des Aufsichtsrates

Die Forderung der Spitzenverdiener der IG-Metall nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit, also der Ruf nach allseitiger Gerechtigkeit ist mit deren Entlohnung nicht in Einklang zu bringen. Die vier mächtigen IG-Metall-Vertreter (bei VW, Porsche, Daimler, Siemens) beziehen das 4-6 Fache des Referenzeinkommens von Facharbeitern/Gruppenleitern bzw. das Doppelte eines Betriebsleiters. Darüber hinaus genießen sie in aller Regel eine großzügige Ausstattung; im Falle von Siemens Büros in teuerster Innenstadtlage, fernab von den größten Wertschöpfungsstandorten Erlangen und Berlin.

Eine weitere Ungereimtheit wurde in jüngster Vergangenheit sichtbar: die Sitzungsgelder. Bei Siemens wurden diese 2010 in der Höhe von 1.000 Euro eingeführt und dann im folgenden Jahr auf 1.500 Euro erhöht.(8) Der Grund ist einfach: Während die Tantiemen in der Regel zu 90 Prozent an die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung abgeführt werden, verbleiben die Sitzungsgelder und weitere Entschädigungen bei den Arbeitnehmervertretern.

4. Etablierung von Funktionärskarrieren

Basisdemokratische Strukturen wie das Betriebsratswesen bergen die Gefahr, dass sie sich verselbständigen, „funktionärsgerichtet und -gerecht" werden. Das liegt in der Logik von Institutionen. Erstmals gewählte Mitglieder wollen aufgrund von Anerkennung und wegen ihrer Neigung zu dieser Tätigkeit oder aus einem Vorteilsdenken heraus diese Rolle möglichst lange ausüben. Aber nach einer Zeit von weniger als 10 Jahren sind sie für die angestammten Aufgaben nicht oder nur mit Schwierigkeiten einsetzbar. Viele wollen dann nicht mehr in diese zurückkehren. Damit ist eine Funktionärslaufbahn vorgezeichnet mit all den bekannten Nachteilen von „Kaminkarrieren". So kommen dann Verweildauern von 20 und mehr Jahren zustande, während derer der Kündigungsschutz greift und andere Verwendungen ausscheiden. Im Unternehmensinteresse ist ein solcher Zustand jedenfalls nicht. Ein Missverhältnis von Rhetorik zu Arbeitsleistung ist kein Ausnahmefall, die Flucht in die Komfortzone der Funktionärswelt nicht ungewöhnlich.

5. Ausschluss jeglicher Haftung

Typisch für Funktionäre ist der Wille, möglichst großen Einfluss zu nehmen, dabei aber jegliche Haftung zu vermeiden; das gilt ebenso sinngemäß für viele Vorstände. Von den Arbeitnehmervertretern wird beständig Mitbestimmung eingefordert, doch von einem Einstehen für mit-beeinflusste und mit-verursachte Fehler distanziert man sich gekonnt und verweist auf die umfassende Leitungsverantwortung des Vorstandes. Dass es in der fast 40-jährigen Geschichte des Mitbestimmungsgesetzes noch zu keinem Streitfall infolge verpasster Sanierungen oder Insolvenz gekommen ist, wirft die Frage der Haftung auf.(9) Die Paritätische Mitbestimmung hat sich dem Verdacht ungebührlicher Privilegien ausgesetzt. Die Erhärtung des Verdachts ist nicht nur im Falle der eingangs erwähnten Personalie Adler auch eingetreten.

Bessere Governance verlangt eine Umorientierung auf Arbeitnehmer-/ Gewerkschaftsseite

Gewerkschaften sollten sich reformfähig zeigen, dann sind sie auch glaubwürdig mit ihren Forderungen an Management und Eigner. Gewerkschaften sollten durch ihr Verhalten demonstrieren, dass sie die demokratische Verfasstheit in ihren Organisationen leben und die Soziale Marktwirtschaft hochhalten. Nur dann geben sie eine glaubwürdige Referenz für eine zukunftsfähige Wirtschaftsordnung ab.

1. Dezentralisierung der Vertretung der Arbeitnehmerinteressen stärken.

Das bedeutet die Stärkung der Betriebsräte vor Ort/an der Basis mit ihrem Wissen sowohl über die Belegschaft als auch über das Management und mit ihrem Einblick in betriebliche Details. Notwendig dafür sind Aufbau und Pflege eines konstruktiven Miteinanders, an welchem die Unternehmensspitze großes Interesse haben muss. Die vom CEO geforderte Vertrauenskultur muss sich über die Führungskräfte bis an den einzelnen Arbeitsplatz fortsetzen. Bei Siemens gibt es eine Reihe herausragender Beispiele - auffallend häufig an der Peripherie, so in Amberg, einem Elektronik-Fertigungsstandort, wo es in einer gemeinsamen Anstrengung von lokaler Leitung und Betriebsrat gelang, Exzellenz zu erreichen. Das sollte Schule machen.

2. Belegschaft besser abbilden.

Das heißt insbesondere mehr Ingenieure in den Aufsichtsrat wählen. In einem Technologieunternehmen wie Siemens ist dies eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Auch die Angestellten gehören besser vertreten. Der „Leitenden"-Vertreter ist fraglos von diesen zu wählen, letztlich nicht von der IG Metall! Die Internationalisierung ist voranzubringen. Dafür sind aufwandsarme, praktikable Formen der Vertretung zu entwickeln. Die deutsche Praxis ist dafür nicht Modell. Grundsätzlich sollte mehr Demokratie gewagt werden, indem die Chancen für alternative Vertretungen verbessert werden.

3. Themen von großem Unternehmensinteresse in den Mittelpunkt stellen.

Das sind Innovation, Zukunftssicherung, Führung und Personalpolitik, nicht nur Entlohnung und Arbeitsplatzabsicherung. Wenn die Belegschaft in höherem Maß am Unternehmen beteiligt wäre – was wünschenswert ist – käme es zu einer Blickerweiterung auf das Unternehmensganze. Die Belegschaftsaktionäre sollten zielstrebig auf die Stellung als Ankeraktionär hinarbeiten, und dabei unterstützt werden.

4. Vom Lagerdenken abrücken.

Der Anfang sollte unverzüglich mit der (teilweisen) gemeinsamen Vorbereitung der Aufsichtsratssitzungen gemacht werden. Mit dem Austausch von Informationen bzw. von Wissen zwischen einzelnen Mitgliedern, insbesondere in den Ausschüssen, sollte angefangen werden, informelle Gespräche zwischen einzelnen Aufsichtsräten sollten gepflegt werden.

5. Frage der Haftung angehen und Begrenzung der Vertretungsdauer einführen.

In Unternehmen sollte es keine haftungsfreien Zonen geben. Darum darf die Frage der Haftung der Aufsichtsräte kein Tabu bleiben. Mit einer prinzipiengeleiteten Ausgestaltung sollte Siemens eine Vorreiterrolle einnehmen. Arbeitnehmervertreter sollen sich im Rahmen einer Selbstverpflichtung nur für zwei Perioden zu fünf Jahren zur Wahl stellen. Im Hinblick auf eine Weiterverwendung sollte eine ausreichende berufsbegleitende Qualifizierung betrieben werden.

Das „Institut" der Paritätischen Mitbestimmung unterliegt wie die Unternehmensaufsicht (Corporate Governance) einem steten Wandel – infolge der starken Veränderungen in der Wertschöpfung, der Arbeitswelt, der Belegschaftsstrukturen und der Globalisierung. Die Ausklammerung der Mitbestimmung aus dem gesellschaftlichen Diskurs wie bei der Einrichtung der „Kodex-Kommission" mehr oder weniger geschehen, ist einer „guten" Corporate Governance nicht zuträglich.

Die Zeit einer Neuausrichtung der Mitbestimmung ist gekommen trotz aller Beteuerungen ihrer angeblichen Vorzüge und der ständigen Beschwörungen von Politik und Gewerkschaft, „Ruhe an dieser Front" haben zu wollen. Aber es ist allemal besser, mit kleinen Änderungen in den einzelnen Unternehmen zu beginnen als auf eine breite Novellierung der Gesetzgebung, die ohnehin nur national ausgelegt ist, hinzuwirken. Meistens hat es sich als praktikabel erwiesen, die auf der Hand liegenden Anpassungen – damit sind auch die vorher erwähnten gemeint - einfach nacheinander einzeln anzugehen. Und wenn sie sich bewährt haben, ist der gesetzliche Vollzug bzw. der Verzicht kein unüberwindbares Hindernis mehr.

Der Aufsichtsrat hat den gesetzlichen Auftrag, ausschließlich das Unternehmensinteresse zu verfolgen. Diesem Auftrag haben sich alle unterzuordnen: die Kapitalseite ebenso wie die „mitbestimmende" Arbeitnehmerseite.

Manfred Hoefle / Armin Sorg - 3. Dezember 2013

 

Anmerkungen

(1) Seit 2007 Erster Vorsitzender der IG-Metall, seit 2009 auch Präsident des Internationalen Metallgewerkschaftsbundes. Aufsichtsratsmandate bei der Audi AG (Stv. V.), Siemens AG (Stv. V.), Porsche Automobil Holding (Stv. V.) und der Volkswagen AG (Stv. V.). Huber stoppte den Mitgliederschwund der letzten 20 Jahre vor allem durch Förderung erfolgreicher Werber wie sein Nachfolger Detlef Wetzel. Bei Volkswagen erhielt er 2012 589 000 Euro, die er allerdings zu 90 Prozent an die Hans-Böckler-Stiftung abführte; den Rest spendete er; insgesamt eine honorige Haltung.
(2) Kollusion: (von lat. collusio: geheimes Einverständnis) ist das unerlaubte Zusammenwirken mehrerer Beteiligter mit der Absicht, einen Dritten zu schädigen; beispielsweise von Vorstand und Aufsichtsrat zulasten der Eigner oder der Belegschaft.
(3) Es sei an das machtbewusste Tandem von Aufsichtsratsvorsitzendem Schrempp und Betriebsratsvorsitzendem Klemm erinnert. Lohnhöhen/Arbeitsplatzgarantien einerseits und Vorstandsbestellung, -vergütung andererseits waren offensichtlich Verhandlungsmasse. Das innige Verhältnis zeigte sich in der Aufforderung der Arbeitnehmervertreter an Schrempp, „für eine weitere Amtszeit zur Verfügung zu stehen"
(4) Kommentar von Bertin Eichler (seit 1996 Geschäftsführendes Vorstandsmitglied / Hauptkassier der IG Metall) seit 2004 stellv. Vorsitzender des Aufsichtsrats von ThyssenKrupp AG und der BMW AG zu den Erste Klasse-Flügen: "Wir lassen uns nicht im Gepäckraum verstauen"
(5) http://www.managerismus.com/themen/governance-compliance/denkschrift
(6) Siehe Denkschrift zu Vorstandsvergütung: www.managerismus.com/themen/governance-compliance/denkschrift-nr-10
(7) Erst bei der Bestellung des neuen CEO öffentlich geworden.

(8) Im Finanzbericht der Firma zur Hauptversammlung, Vergütungsbericht des AR: im GJ 2012 unter Pkt. 8.4.2.
(9) Vorstände waren während der letzten 20 Jahre überdurchschnittlicher Vergütungszuwächse in auffallendem Maße bemüht, über vertragliche Regelungen und eine umfassende D&O- (Manager-Haftpflicht-) Versicherung jede persönliche Haftung auszuschließen bzw. zu minimieren. Das ist mit dem Selbstverständnis des Vorstands als unternehmerisch Verantwortlichem nicht vereinbar, ein untrügliches Indiz für Managerismus.